Schmidts Einsicht
laut über die Torte.Wie konnte das sein? War ein allgemeiner Verfall der amerikanischen Sitten schuld daran, daß sie sich nicht gegenseitig an die Kehle gingen? Zu dieser Meinung neigte Schmidt nicht; er glaubte vielmehr, daß Carrie wie eine Dompteurin von Wildkatzen wußte, wie sie gefügig zu machen waren, so daß sie ihre Sitzplätze einnahmen und fast gar nicht knurrten.
Er wurde etwas gefragt und damit aus seiner Träumerei gerissen.
Schmidtie, sagte Carrie, wach auf. Dein Jetlag muß noch was anderes sein! Der Doktor hat gestern gesagt, wenn das Baby am 20. Juni noch nicht da ist, leitet er die Geburt ein. Was hältst du davon? Bist du dann da? Jason und ich hätten dich gern dabei. Die andere Frage ist: Können wir noch im Poolhaus bleiben, wenn ich mit dem Baby aus der Klinik komme? Wir haben uns dieses Haus bei Three Mile Harbor ausgeguckt, es ist nahe an der Marina und genau richtig, man muß aber Arbeit reinstecken. Also, wenn wir in der Zwischenzeit hierbleiben können, machen wir ein Kaufangebot.
Wie könnt ihr auch nur einen Moment daran zweifeln, erwiderte Schmidt, an Carrie und Jason gewandt, daß ich euch und das Baby hier haben möchte.
Damit tat er das Gegenteil von dem, was der Finanzmagnat ihm geraten hatte. Als Mr. Mansour hörte, daß Schmidt Carrie und Jason im Poolhaus wohnen lassen wollte, schärfte er ihm ein, darauf zu achten, daß sie auszogen, bevor das Baby geboren war. Sonst wirst du sie nie mehr los, hatte er gesagt! Bleib ruhig, Mike! Das Risiko würde er eingehen.
Und ja, fuhr er fort, ich sehe zu, daß ich im Juni hier bin. Wenn dieser junge Mann ankommt, wäre ich ungern an einem der gottverlassenen Orte, an denen Mike seine Stiftungsbüros hat.
Jason ergriff das Wort: Vielen, vielen Dank! Ich glaube, dir wird das Haus gefallen, das wir kaufen möchten, und es hilft sehr, daß Carrie und das Baby hierbleiben können, während Bryan und ich daran arbeiten.
Und wie, Albert, meldete sich Bryan. Du warst immer ein Klassekumpel! Der beste!
Schmidt hatte dem kleinen Scheißkerl unzählige Male erklärt, er solle ihn Schmidtie nennen – wenn er nicht Mr. Schmidt sagen wollte –, und ihm war nicht klar, ob die Anrede »Albert« ein Ausdruck von Respekt war oder ein sicheres Mittel, ihn zu provozieren.
Carrie sagte nichts. Sie stand einfach auf, umarmte Schmidt und küßte ihn.
Eine Sache wüßten Carrie und ich noch gern, sagte Jason, nachdem sie sich wieder hingesetzt hatte. Wir würden den Kleinen gern Albert nennen. Wäre dir das recht?
Ja, sagte er, natürlich, ich bin glücklich und fühle mich geehrt, aber wie wird dieser kleine Wicht dann gerufen? Hoffentlich nicht Al.
Wir glauben, es kann bei Albert bleiben. Wenn nicht, dann Bert – das ist doch immer noch ganz gut, findest du nicht? Schmidtie können wir ihn nicht nennen. Das würde keiner verstehen.
IX
Er reiste noch einmal zum Bukarester Zentrum der Stiftung und von dort aus weiter nach Warschau zu einem Einführungstreffen mit den Mitarbeitern. In Polen war er noch nie gewesen. Sein Bild des Landes war eine Collage aus Chopin in der Interpretation von Rubinstein oder Horowitz, Metaphern aus John Herseys Der Wall und Leon Uris’ Mila 18 , den endlosen Echos von Auschwitz, der Zerstörung der Warschauer Altstadt nach dem Aufstand von 1944 und der späteren liebevollen originalgetreuen Restaurierung sowie Lech Wałesa und Solidarnos´c´. Als am zweiten Tag seines Besuchs nach dem Ende der Morgensitzung im Büro noch Zeit blieb und die Direktorin des polnischen Life Center ihn fragte, was er in Warschau gern sehen würde, sagte er, die Auswahl überlasse er ihr, denke aber, die Altstadt solle auf jeden Fall zum Besichtigungsprogramm gehören. Sie entschied, mit einem Mittagessen dort anzufangen. Sie bekamen einen Platz im hinteren Teil des nach ihrer Auskunft besten Altstadtrestaurants, einem langen, schmalen, düsteren Raum. Er überließ ihr die Bestellung und hörte sich ihre Lebensgeschichte an. Geboren war sie in einer kleinen Stadt in der Nähe von Krakau, dem Wohnsitz ihrer Eltern nach der Flucht aus dem östlichen Gebiet Polens, das Teil der Ukraine geworden war. Sie lebten in bescheidenen Verhältnissen – der Vater machte Tischlerarbeiten, die Mutter war Krankenschwester –und hatten alle notwendigen Opfer gebracht, damit sie an der ehrwürdigen Universität Krakau studieren konnte; sie hatte einen Abschluß in modernen Sprachen. Nein, sie hatte weder in England noch in den USA studiert;
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