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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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immer schützend vor dich stellt. Wie ich deinem erwachsenen Sohn schon erklärt habe: Ich habe die Nase voll von euch Rikers, mère, père et fils , von euch und eurer Raffgier.
    Raffgier, schrie Renata auf.
    Ja. Ich habe Charlotte einen Haufen Geld gegeben. Zuerst, als sie entschied, daß sie das Haus nicht haben will, in dem ich wohne, das Haus ihrer Tante und ihrer Mutter, das Haus, in dem sie aufgewachsen ist. Mit dem Geld sollte die Immobilie in der Nähe eures Ferienhauses in Claverack bezahlt werden, die sie kaufen wollte, oder die Wohnung in New York oder beides. Offen gesagt, finde ich die Riker-Finanzen verwirrend. Klar ist mir nur das Ergebnis: Die Immobilie wurde in beider Namen gekauft. Dann hat Jon das Appartement oder das Haus oder beides mit einer Hypothek belastet, obwohl ich so viel Geld hergegeben hatte, daß kein Darlehen nötig gewesen wäre, und als die beiden sich wegen seiner widerwärtigen Affäre mit einer Anwaltsassistentin trennten, hat er sich tatsächlich geweigert, Charlotte zurückzugeben, was ihr gehörte! Wie schmierig kann man eigentlich noch werden?
    Wie kannst du es wagen, über diese Dinge zu reden!
    Es ist ganz einfach, überhaupt kein Problem. Ich habe Charlotte immer freizügig Geld gegeben, auch wenn sie sich nie überwinden konnte, mich in netter Form darum zu bitten oder mir in netter Form dafür zu danken. Was sie und dein Sohn mit dem Geld gemacht haben, weiß ich wirklich nicht. Und dann hat dein Sohn auch noch die Frechheit, von mir zu verlangen, daß ich für den ungeborenen Myron vorsorge!
    Nun ja, Schmidtie, sagte Renata langsam, jedenfalls bist du weniger gehemmt als bei unserer ersten Begegnung. Du warst so gefangen in deiner WASP-Höflichkeit, daß du dich kaum überwinden konntest, den Mund aufzumachen. Und wenn man dich jetzt reden hört! Liegt es an deiner puertoricanischen Freundin, der Kellnerin, hat sie dir die Zunge gelöst? Das Mädchen sollte Therapeutin werden.
    Sie hatte ihren Gemüsesaft getrunken. Nach einem Blick auf ihre Armbanduhr teilte sie Schmidt mit: Fünfunddreißig Minuten bleiben uns noch, sehe ich. Kann ich ein Glas von dem haben, was du trinkst? Es ist ein Martini, vermute ich. Der arme Myron muß jetzt darauf verzichten.
    Schmidt erinnerte sich an Myrons ausgezeichnete Martinis und daran, wie sie ihn plötzlich und dummerweise benebelt hatten, aber an bittersüßen Reminiszenzen war er nicht interessiert. Er schenkte Renata den Drink ein, füllte sein Glas nach und setzte sich. Wenn sie reden wollte, würde er zuhören. Noch zweiunddreißig Minuten lang.
    Bist du verärgert, weil sie das Baby Myron nennen wollen statt zum Beispiel Albert?
    Er antwortete wahrheitsgemäß mit nein. Das sei kein Name, der ihm gefalle. Daß allerdings ein anderes Baby, das vor dem kleinen Myron zu erwarten war, Albert heißen werde, erwähnte er nicht. Ein Albert auf einmal war vielleicht genug.
    Das sagst du, aber ein Rest von Feindseligkeit ist vielleicht doch noch da. Du mußt wissen, daß es Myron in letzter Zeit nicht gutging, er hat Herzbeschwerden, und Sorgen um seine Praxis belasten ihn zusätzlich. In der Stadt leite er immer noch Gruppentherapien, aber womöglich ergibt sich die Chance auf eine Stelle in einer Klinik in Columbia County in der Nähe von Claverack. Wenn das gutgeht, wird er vielleicht zwischen New York und seinem Arbeitsort pendeln, oder ich in umgekehrter Richtung. Das Motiv für das Ganze ist, daß man nach einem Weg gesucht hat, ihm wieder Mut zu machen.
    Schmidt nickte.
    Du solltest auch begreifen, daß Jon nicht so viel verdient, wie er gehofft hat oder wie ihm zustehen würde. Die Kanzlei wirft nicht so viel ab, wie sie sollte. Das ist ein Problem. Daß er uns hilft, weißt du schon. Ich bin nicht stolz darauf, aber es beschämt mich auch nicht. Myron und ich und Jon genauso hatten hohe Investitionsverluste, das kommt noch hinzu. Hast du davon gewußt?
    Von den Verlusten? Davon höre ich zum ersten Mal. Charlotte hat sie nicht erwähnt, und selbstverständlich hat sie mich nicht um meinen Rat gebeten.
    Weil du sie einschüchterst.
    Stuß!
    Die wohltuende Wirkung des zweiten Martinis machte sich in seinem ganzen Körper angenehm bemerkbar. Stuß, wiederholte er. Was für ein guter Ausdruck, deutlich besser als ›Geschwätz‹ und ›Humbug‹.
    Deine Kraftsprüche aus der Army-Grundausbildung schrecken mich nicht, entgegnete Renata. Ich will dir noch etwas anderes verraten, wovon du vielleicht nichts ahnst. Charlotte und Jon

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