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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Stadt zu verbringen. Lew Brenner hatte nichts vor. Sie verabredeten sich zum Abendessen im Club. Als sie sich trafen, entschuldigte Lew seine Frau. Tina hätte Schmidt so gern wiedergesehen, aber sie sei die Woche über auf dem Land.
    Sie tranken ihre Martinis an der Bar und stiegen dann die Treppe zum Speiseraum hinauf. Nachdem sie entschieden hatten, was sie essen und welchen Wein sie trinken wollten, sagte Lew, er wolle Schmidt ins Bild setzen: Nach der Wahl der neuen Partner im Juni wird Jack DeForrest schwer unter Druck geraten. Die Jungtürken laufen Sturm gegen ihn.
    Ich frage mich, wie dir dabei zumute ist, Schmidtie, fuhr Lew fort. Ihr wart so gute Freunde, als wir alle noch Assistenten waren, aber ich hatte den Eindruck, daß Spannungen zwischen euch aufkamen, als er geschäftsführender Partner wurde, größere Spannungen, als der Umgang mit el supremo normalerweise mit sich bringt.
    Das ist ein schwieriges Thema, sagte Schmidt, aber dein Eindruck ist ganz richtig. Erzähl mir, welche Sünden man Jack vorwirft und wer wahrscheinlich sein Nachfolger wird.
    Wenn es so einfach wäre. Aber das ist ebenfalls ein schwieriges Thema. Es gibt keine konkreten Vorwürfe. Die allgemeine Lage kennst du so gut wie ich: Der Dow bewegt sich in die richtige Richtung, die Arbeitslosenzahlen auch, aber es gibt nicht genug große Aufträge. Das macht die Jungen nervös. Sie gehen herum und schwingen solche Reden wie: Für einen Auftrag würde ich morden. Gott sei Dank sieht es bei mir gut aus. Ich habe große Transaktionen in Arbeit, und alle meine Mitarbeiter sind sehr, sehr beschäftigt. Aber ansonsten ist es nicht so rosig, und Jack, der den anderen in der Kanzlei Mut machen müßte, verhält sich statt dessen wie Mr. Weltuntergang Marc Faber. Er ist auf Zahlen fixiert: Sind die anrechenbaren Stunden gestiegen oder gesunken und um wieviel Prozent, das gleiche macht er mit den Außenständen und diesen Statistiken über die Verteilung auf die einzelnen Partner und Anwälte. Er sollte davon reden, daß der Dienst am Mandanten beiuns Tradition ist, daß es Spaß macht, zusammenzuarbeiten, und so weiter. All das Zeug zur Hebung der Kampfmoral, das der alte Dexter Wood so gut beherrschte. Also kann es sein, daß Jack zum Rücktritt gedrängt wird, obwohl seine Zeit als geschäftsführender Partner erst in zwei Jahren abläuft.
    Na ja, Lew, du hattest immer interessante Arbeit, und zwar reichlich.
    Als Schmidt das sagte, merkte er, wie fern ihm die Strategie und Personalpolitik von W & K jetzt lagen, so fern, daß er seinen früheren Neid auf Lew und dessen Fähigkeit, Erfolge mühelos aus dem Ärmel zu schütteln, kaum noch spürte.
    Ich hatte Glück, sagte Lew, das ist alles. Und ich hatte tüchtige Helfer. Genau wie du. Denk nur an Tim Verplanck! Wahrscheinlich wollen sie weiträumig nach einem Nachfolger suchen, auch in den unteren Rängen der Jüngeren. Wenn du irgendwelche Vorschläge hast, solltest du mich das wissen lassen.
    Grübelnd nippten sie an ihrem Wein.
    Apropos Tim Verplanck, sagte Schmidt, ich war wieder in Paris und habe mit Hugh Macomber und den anderen aus der Bande zu Mittag gegessen.
    Ein guter Mann, der junge Macomber!
    Er hat mir erzählt, allzu sicher sei er nicht, ob er die Mandanten halten könne, die Tim akquiriert hat – die, die noch da sind. Wie du weißt, sind einige abgesprungen. Er hat gewisse Probleme mit Bruno angedeutet, diesem Freund von Tim.
    Ja, da gibt es ein Problem. Ein ernsthaftes Problem. Beide Macombers – seine Frau Molly noch mehr als er – sind wunderbare Menschen, aber im Grunde amerikanische Provinzler. Anders kann man es nicht nennen. Sagt man »Investmentbanker«, haben sie ein Bild vorAugen, das auf jeden Kommilitonen Hughs in Princeton zutrifft, der jetzt Partner in der Morgan Stanley Bank oder äquivalenten Institutionen ist, der verheiratet ist mit einer Frau wie Molly, zwei Kinder hat, eines auf der Chapin-Schule und das andere am Buckley-Institut. Wenn sie also mit Bruno konfrontiert werden, paßt er nicht ins Bild, und sie sehen nur, daß er schwul ist. Keine Frau, keine Kinder, also was für ein Investmentbanker kann der schon sein? Eine Fehlbesetzung. Er macht sie unsicher. Er würde in ihre Vorstellung vom Leben passen, wenn er Maler wäre. Oder ein Modefriseur! Dabei vergessen sie aber, oder sie können nicht verstehen, daß viele, die in Princeton Examen gemacht haben und Mitglieder desselben Studentenclubs waren wie Hugh, jetzt Bankiers bei der Morgan

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