Schmiede Gottes
in seine Heimatstadt zurückgekehrt, um festzustellen, daß sein Apartment geräumt und vor einem Monat an jemand anders vermietet worden war. Es war von den Agenten der Behörde, die während der Quarantäne seine Interessen wahrnahmen, glatt vergessen worden. Das schien ein ziemlich großes Versäumnis zu sein. Aber wenigstens hatte die Hauswirtin seine Habseligkeiten freundlicherweise für den Fall seiner Rückkehr aufbewahrt. Nun hatte er das Mobiliar verkauft, aber – zu seiner eigenen Erheiterung – festgestellt, daß er noch einige Dinge besaß, von denen er sich nicht trennen konnte. Diese hatte er in einem Mietspeicher für den unerhörten Betrag von hundert Dollar monatlich eingestellt – auf fünf Monate im voraus zu zahlen.
Nachdem dies alles erledigt war, wurde Edward das, was er sein wollte: völlig frei und ungebunden.
Er zweifelte kaum daran, daß das Ende der Erde nahe bevorstünde. Er hatte sich eine Kleinkaliberpistole gekauft für den Fall, daß das Ende zu schmerzhaft ausfallen würde. (Pistolen waren jetzt sehr gefragt.) Er hatte seine Ersparnisse und das Geld von der Regierung so eingeteilt, daß er sich fünf Monate Reisen leisten konnte.
Er fühlte sich nicht gedrängt, das Territorium der Vereinigten Staaten zu verlassen. Der Erwerb eines kleinen Wohnwagens (mit Dreingabe seines Land Cruisers) hatte seine Guthaben um etwa ein Drittel geschmälert.
Jetzt, an seinem letzten Tag in Austin, verbrachte er die Nacht im Hotel, eingehüllt in eine besonders düstere Melancholie.
Es drängte ihn, sich in Bewegung zu setzen.
Er würde im Land umherreisen und Ende März oder April in Yosemite landen, wo er sich niederlassen wollte. Der erste Teil seiner Reise würde ihm einen großen Überblick von Nordamerika geben, so weit er es erfassen konnte. So etwas hatte er sich schon immer vorgenommen. Er würde einige Wochen in den White River Badlands von Süd-Dakota verbringen, dann ein paar Tage im Zion-Nationalpark und so weiter durch geologische Höhepunkte, bis er, indem sich der Kreis schloß, wieder in seiner Kindheit landete und bei den hohen Felswänden von Yosemite. Nachdem er so einiges von dem, was er von der Erde sehen wollte, kennengelernt hatte, würde er anfangen, sein inneres Land zu inventarisieren.
Gute Pläne.
Aber warum fühlte er sich da so elend?
Er konnte den Gedanken nicht loswerden, daß man sein Leben mit einem verehrten Freund oder einer geliebten Frau verbringen sollte. Edward war eigentlich immer im Grunde ein Einzelgänger gewesen. Er fühlte kein Bedürfnis, seine Mutter zu sehen; sie hatte ihn mit sechzehn aus dem Haus gejagt, und er hatte seit Jahren den Kontakt mit ihr verloren. Aber da war immer der Mythos, das Bild des dyadischen Zyklons, wie John Lilly es genannt hatte… das Paar, welches sich gemeinsam dem Leben stellt.
Er trank den Whiskey Sour aus und verließ die Bar. Dabei wischte er sich Salzstaub mit einer gefalteten Serviette von der Hand. Der Portier nickte ihm freundlich zu, und er machte sich auf einen zweistündigen Spaziergang durch die Innenstadt von Austin. So etwas hatte er seit seinen Studentenjahren nicht mehr getan.
Es war Sonntag, und die Stadt war ruhig. Er ging an Zäunen mit weißen Plakaten und schmiedeeisernen Einfassungen alter, gut gepflegter historischer Häuser vorbei. Er studierte historische Bronzetafeln auf Sockeln. Nach Verlassen der älteren Umgebung stand er schließlich im Zentrum aus Beton und Stein und Stahl und gläsernen Pfeilern. Die aromatische Brise des mittwinterlichen Texas zupfte an seinem kurzärmeligen Hemd.
Eine menschliche Stadt, aber sehr solide und dauerhaft wirkend.
Wie konnte sie einfach verschwinden?
Nicht einmal in der Geologie gab es ein momentanes Dahinscheiden von Welten.
Am nächsten Morgen, nach einem recht gesunden Schlaf ohne Träume, an die er sich erinnerte, begann Edward Shaw sein neues Leben.
45
24. Dezember
Lieutenant Colonel Rogers saß in seinem Anhänger und wartete auf eine Nachricht des zivilen Verbindungsmanns, eines kleinen und harmlos wirkenden NSA-Mannes namens Tucker. Dieser hatte nur eine einzige Rolle in dieser Verschwörung – anders konnte man es nicht nennen –, und die bestand darin, daß er mitteilte, ob die Waffe beschafft war oder nicht.
Die New York Times vom Sonntag lag ausgebreitet auf einem Pult unter drei leeren Fernsehmonitoren. Auf der Titelseite erheischten drei fast gleich große Schlagzeilen Aufmerksamkeit:
BUSENFREUND DES PRÄSIDENTEN
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