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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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erinnerte ihn stark an so viele Filme über die Zerstörung alter Städte durch Erdbeben oder Vulkanausbrüche, wo riesige Marmorblöcke auf die Volksmengen unglücklicher Städte fielen.
    Nicht das Weiße Haus… Bestimmt nicht das.
    »Irwin, Otto…« Wieder der Präsident. Nahe dem Tisch ein Beinpaar, das heftig zuckte.
    »Hier drunter, Sir«, sagte Schwartz. Er sah im Geist ein kurzes Porträt seiner Frau – mit undeutlichen Zügen, als ob es ein altes unscharfes Photo wäre. Dann sah er ihre Tochter, die verheiratet war und in South Carolina lebte… falls der Ozean sie verschont hätte.
    Wieder das Hochsteigen. Er wurde auf den Boden gepreßt. Es war kurz, nur eine oder zwei Sekunden lang; aber er wußte, daß das genügte. Als es aufhörte, wartete er mit fest zugedrückten Augen auf den Einsturz der oberen Stockwerke. Jesus, kommt denn die ganze östliche Meeresküste hoch? Das Warten und die Stille schienen nicht enden zu wollen. Schwartz konnte sich nicht entscheiden, ob er seine Augen wieder aufmachen… oder die langen Sekunden abwarten sollte. Er fühlte, wie das Gebäude über ihm schwankte.
    Er wandte den Kopf zur Seite und öffnete die Augen.
    Der Präsident war hingefallen und lag mit dem Gesicht nach oben neben dem Tisch, geisterhaft weiß von Staub. Seine Augen waren offen, aber blicklos.
    Das Weiße Haus bekam seine Stimme wieder und kreischte wie ein Lebewesen.
    Die massiven Beine des Tisches bogen sich und zersplitterten. Sie konnten dem Gewicht der Tonnen von Zement, Stahl und Steinen nicht widerstehen.

 
71
     
    Drollig, dachte Edward; kurios und ergreifend. Er wünschte sich, die Motivation aufbringen zu können, sich mit ihnen zusammenzutun. Eine Gruppe von zwanzig oder mehr Personen hatten sich jetzt in einem Kreis versammelt, der hundert Meter hinter dem Granite Point lag. Sie sangen religiöse und volkstümliche Lieder. Betsy drängte sich auf dem Asphaltweg an ihn. Es hatte keine neuen Beben mehr gegeben, aber die Luft selbst schien zu murren und sich zu beklagen.
    Es lag eine gewisse Ironie darin, daß sie den Weg aufgestiegen waren, um einen günstigen Ausblick zu haben, jetzt aber in einiger Entfernung von der Kante standen. In dem Steingefüge der Terrasse war ein dreißig Zentimeter breiter Riß aufgetaucht. Von ihrem jetzigen Standpunkt aus konnten sie nur das obere Drittel der gegenüberliegenden Wand des Tales sehen.
    »Du bist doch Geologe«, sagte Betsy und massierte mit einer Hand seinen Nacken, worum er sie zwar nicht gebeten hatte, was ihm aber gut tat. »Weißt du, was da vor sich geht?«
    »Nein«, sagte er.
    »Es ist doch bloß ein Erdbeben?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Dann fängt es jetzt also an. Wir sind gerade noch hier heraufgekommen.«
    Er nickte und schluckte einen Kloß von Angst hinunter. Jetzt, da es gekommen war, empfand er beinahe Panik. Er fühlte sich gefangen, klaustrophobisch, wobei die ganze Erde und der Himmel auf ihn eindrangen; und er hatte nicht einmal Flügel. Er fühlte sich zwischen Stahlplatten der Schwerkraft in seiner eigenen jämmerlichen Schwäche zerquetscht. Sein Körper erinnerte ihn gewaltsam daran, daß Angst schwer zu beherrschen ist und Geistesgegenwart angesichts des Todes nur selten.
    »Gott«, sagte Betsy und drückte ihre Wange an die seine, während sie zum Point blickte. Auch sie zitterte. »Ich dachte, wir würden mindestens noch Zeit haben, an einem Lagerfeuer zu sitzen und darüber zu reden…«
    Edward drückte sie noch fester an sich. Er stellte sie sich als Gattin vor; und dann dachte er an Stella und wunderte sich über die Unbeständigkeit seiner Phantasien. Er griff nach vielen Leben, da das seine jetzt so kurz zu sein schien. Unbeschadet seiner Furcht stellte er sich lange Jahre mit beiden zusammen vor.
    Die Erschütterungen hatten fast aufgehört.
    Die Hymnensänger suchten völlig durcheinander weiter nach einer gemeinsamen Tonart. Minelli und Inez kamen von den Bäumen her und stiegen den Hügel zwischen den engen Zickzacks des Asphaltweges empor. Minelli stieß einen lauten Ruf aus und winkte mit der Hand. »Jesus, das ist ein enormer Adrenalinstoß.«
    »Er ist verrückt«, sagte Inez. Ihr Gesicht war blaß, und sie atmete schwer. »Vielleicht nicht der Allerverrückteste, dem ich begegnet bin, aber doch nahe daran.«
    »Findest du, daß es wärmer geworden ist?« fragte Betsy.
    Edward erwog diese Möglichkeit. Würde sich Wärme vor einer Schockwelle ausbreiten? Nein. Wenn die Geschosse zusammenstießen oder

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