Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
gestolpert, die wirklich interessant ist. Ulrich und Charlotte Winninges aus
Bovenden haben den Erstgeborenen von Petra Soffron adoptiert und ihn Roman
getauft. Daran kannst du dich erinnern?«
Lenz war mit sich selbst
übereingekommen, für ein paar Minuten den Mund zu halten, deshalb nickte er
nur.
»Die Zwillinge, die von
Ferdinand und Waltraud Preißler adoptiert wurden, bekamen die Namen Jutta und
Norbert. Wir haben hier drei Kinder, und ich bin relativ sicher, dass wir mit
zwei davon schon Kontakt hatten. Ich zumindest hatte ihn.«
Lenz verstand noch immer
nicht, worauf sein Kollege hinauswollte.
Hain lehnte sich in
seinen Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. »Roman Krug und Jutta
Bade. Schon mal gehört?«
»Wenn, kann ich mich
nicht daran erinnern.«
»Roman Krug ist der Typ,
den die Kollegen in der Nacht des Mordes an Dieter Bauer im Feld aufgegriffen
hatten. Erinnerst du dich?«
Nun nickte Lenz. »Und
Jutta Bade ist die Frau des Polizisten, mit der er ein Verhältnis hat.«
Der Oberkommissar hob
warnend die Hand. »Mit der er vorgibt, etwas zu haben. Wenn die beiden die
sind, für die ich sie halte, sind sie Geschwister oder zumindest
Halbgeschwister.«
Lenz griff nach dem
Notizblock und betrachtete die Namen, von denen Hain gesprochen hatte. »Das
könnte allerdings auch ein ziemlich dummer Zufall sein.«
Wieder
winkte sein Kollege ab. »Vergiss es. Die beiden haben uns nach Strich und Faden
verarscht, und ich bin sicher, sie haben die beiden Erzieher umgebracht. Wie
der tote Martin Melchers da reinpasst, weiß ich noch nicht, aber den Bauer und
diese Liebusch haben sie auf dem Gewissen.«
»Das würde sich auch mit
den Erkenntnissen von Dr. Franz decken. Allerdings müsste dann einer zum Killen
bei Bauer und der andere bei Ruth Liebusch gewesen sein.«
»Hältst du das für ausgeschlossen?«
»Seit ich Bulle bin,
halte ich gar nichts mehr für ausgeschlossen.«
»Dann lass uns nach
Baunatal abhauen und den beiden auf den Zahn fühlen.«
»Ich soll mit einem
betrunkenen Kollegen zur Befragung von Tatverdächtigen fahren?«
»Langsam bewege ich mich
wieder Richtung nüchtern. Nicht ganz, aber doch ganz schön dicht dran.«
»Wie viel hast du denn im
Lauf des Abends in dich reinlaufen lassen?«
Hain sah ihn mit rot
geränderten Augen an und schüttelte amüsiert den Kopf. »Das willst du gar nicht
wissen, Chef.« Dann schaltete er seinen Computer an, stellte eine Verbindung
zum Internet her und suchte nach den jeweiligen Telefonanschlüssen der beiden
Adoptivelternpaare.
»Bevor wir losfahren,
vergewissern wir uns, dass es nicht doch der kaum vorstellbare Zufall ist und
sie es nicht sind.« Eine halbe Minute später hatte er etwas gefunden. »In
Gießen gibt es einen Eintrag für F. und W. Preißler«, verkündete er
triumphierend und wählte die Nummer, nur um ein paar Sekunden später genauso
zerknirscht den Hörer wieder auf die Gabel zu werfen.
»Der Anrufbeantworter.
Sie sind die nächsten zwei Wochen nicht zu erreichen.«
»Keine andere Nummer?«
Hain schüttelte den Kopf.
»Und in Bovenden gibt es keinen Eintrag auf den Namen Winninges.« Er zögerte.
»Es gibt in ganz Deutschland keinen Eintrag auf den Namen Winninges.«
»Dann ab nach Baunatal.«
*
»Zuerst zu ihm oder zu
ihr?«, fragte Lenz, als sie in seinem kleinen Wagen Platz genommen hatten, der
noch immer auf dem großen Parkplatz gestanden hatte.
»Wo sie wohnt, kann ich
dir sagen, seine Adresse müssten wir ins Navi eingeben.«
»Dann erst zu ihr«,
entschied der Hauptkommissar und startete den Motor.
Sie fuhren in einen
sensationellen Sonnenaufgang, doch beiden fehlte an diesem Morgen der Blick für
das Naturschauspiel.
»Jetzt könntest du mir
eigentlich erzählen, was mit Uwe passiert ist«, schlug Hain vor, während Lenz
die Frankfurter Straße entlangjagte.
»Stimmt, das habe ich ja
komplett vergessen«, fiel dem Hauptkommissar ein. Er zog die Papiere aus dem
Sakko und hielt sie seinem Kollegen hin. »Da, lies, die Sache mit Uwe erzähle
ich dir danach.«
Kurz hinter der
Stadtgrenze zwischen Kassel und Baunatal war Hain mit allen notwendigen
Informationen versorgt.
»Das mit dem Fuchs, der
die Treppe runtergestürzt ist, könnte böse ausgehen«, bemerkte er leicht
beunruhigt. »Und die Sache im Rothenditmolder Hof macht auch keinen besonders
guten Eindruck, was meinst du?«
»Da gebe ich dir ohne
Frage recht. Aber am besten
Weitere Kostenlose Bücher