Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
schöner ist unmöglich.«
»Schwätzer. Und jetzt geh
wieder an die Arbeit, damit ich nicht mehr ganz so lange auf dich warten muss.
Ich habe nämlich einen Bärenhunger.«
»Ich tue was ich kann.
Bis später.«
»Ja, bis später.«
»Alles
klar?«, wurde der Hauptkommissar von Hain empfangen, der mit seinem Notizblock
in der Hand vor der Tür des Hauses stand und sich mit einem Uniformierten
unterhalten hatte.
»Ja, alles paletti.«
Der Oberkommissar
blätterte eine Seite zurück. »Das hier ist eine ganz merkwürdige Sache«, begann
er. »Der Radiosender FFH hat vor einer knappen Stunde eine Mail gekriegt, dass
hier im Haus die Leiche einer Frau liegen soll, inklusive der genauen Daten.
Connie Strack, die Reporterin, die da drüben mit dem Mikro in der Hand vor dem
Auto steht, hat die Sache sofort bei uns gemeldet und ist gleichzeitig mit den
Streifenwagen hier eingetroffen. Zuerst hielten alle Beteiligten es für ein
Fake, aber nachdem die Kollegen Blutspuren vor der Wohnung entdeckt hatten, war
es damit vorbei. Sie haben die Tür aufgebrochen und die Leiche gefunden.«
»Läuft die Anfrage wegen
der IP-Adresse bei der Staatsanwaltschaft schon?«
»Habe ich veranlasst.«
»Und?«
»Was und?«
»Das ist alles?«
Hain sah seinen Chef
missmutig an. »Es tut mir leid, dass ich den Fall nicht lösen konnte, während
du sicher ganz wichtige Privattelefonate geführt hast. Also ehrlich.« Damit
drehte der Oberkommissar sich um und verschwand im Hausflur.
»Warte, Thilo«, rief Lenz
ihm hinterher. »Warte bitte. Ich hab’s nicht so gemeint.«
Hain blieb stehen und sah
über die Schulter zurück. »Wenn du es nicht so meinst, dann sag es halt auch
nicht so.« Er war offensichtlich ernsthaft angefressen. Lenz trat mit
zerknirschtem Gesichtsausdruck neben ihn.
»Es tut mir leid. Im
Moment ist meine Zündschnur, wie du richtig erkannt hast, kaum vorhanden.« Er
sah sich kurz in alle Richtungen um, doch es war niemand in unmittelbarer Nähe.
»Die Sache mit Maria
nimmt mich doch mehr mit, als ich gedacht hab. Also, sei nicht angepisst,
bitte.«
Hain sah ihm in die Augen
und klopfte ihm auf die Schulter. »Schon vergessen. Und nun lass uns nicht
weiter sentimentalisieren, sondern da hochgehen und uns die Tote anschauen.«
Die
Tote, wie Hain sie nannte, hatte in einer großen Wohnung im dritten Stock des
gepflegt wirkenden Altbaus gelebt. Vor der Tür stand ein Uniformierter, der die
Kripobeamten kurz grüßte und einen Schritt zur Seite ging. Dabei wies er auf
die Blutflecken am Boden.
»Vorsicht, bitte.«
»Danke, Kollege«,
erwiderte Hain, zog zwei Paar Füßlinge aus der Jackentasche, von denen er eines
an Lenz weiterreichte, und schlüpfte in die blauen Kunststoffüberzieher. Dann
betrat er den Flur. Aus einem der Zimmer war das vertraute Pfeifen von Dr.
Franz zu hören.
»Mein Gott, ist das
riesig hier«, stellte Lenz beeindruckt fest.
Hain nickte und warf
einen Blick in das erste Zimmer auf der rechten Seite, das Wohnzimmer. Dort gab
es jedoch nichts zu sehen.
»Kommen Sie her, meine
Herren, trauen Sie sich«, rief Dr. Franz. »Den Flur entlang bis zum Ende,
dann links.«
Die beiden Polizisten
folgten der freundlichen Aufforderung und standen ein paar Augenblicke später
dem Arzt gegenüber, der mit einem Thermofühler in der Hand aus dem Fenster sah.
Von einer Leiche war nichts zu sehen.
»Schöne Aussicht, nach
hinten raus«, murmelte er ins Nichts.
Lenz trat neben ihn und
folgte seinem Blick. Tatsächlich gab es hinter dem Haus einen idyllischen,
eingewachsenen Garten.
Franz drehte sich um und
deutete mit einer Kopfbewegung eine Begrüßung an. »So schnell sieht man sich
wieder, meine Herren.«
Damit wandte er sich
direkt an Hain. »Ich war letzte Nacht ein wenig unwirsch, was Ihre Person
betrifft, Herr Kommissar. Dafür möchte ich mich entschuldigen.«
Hain glaubte, ein Problem
mit seinen Ohren zu haben. Trotzdem machte er eine generöse, erledigende
Handbewegung. »Schon vergessen, Doc.«
»Schön«,
freute sich der Arzt. »Aber viel wichtiger als meine Entschuldigung dürfte für
Sie die Tote sein, vermute ich.«
Beide nickten.
»Na, dann kommen Sie mal
mit.«
Ruth Liebusch lag in der
Badewanne. Bis auf ein paar rosafarbene Socken und eine sehr große,
blutverschmierte Brille auf der Nase, die seltsam deplatziert wirkte, war sie
nackt. Ihr faltiger Körper war übersät mit Wunden, die offenbar von Einstichen
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