Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Liegt sie
seit einem halben Jahr im Wasser?«
Wasserleichen waren in
keinem Kriminalkommissariat der Welt beliebt. Und je länger ein toter Mensch im
Nassen gelegen hatte, desto unappetitlicher war sein Anblick.
»Nein, wenigstens dahingehend
kann ich dich beruhigen«, erklärte Gecks sachlich. »Es ist eine Frau. Sie wurde
in ihrer Wohnung gefunden.«
»Fremdverschulden?«
»Definitiv, ja.«
Hain trat vor den
Schreibtisch seines Kollegen, beugte sich zu Gecks hinab und sah ihn ernst an.
»Nun mach doch nicht so
ein Geheimnis aus der Geschichte, RW. Erzähl, was du weißt, dann können wir
sehen, wie wir damit umgehen.«
Für den Bruchteil einer
Sekunde hatte Lenz die Befürchtung, dass Erich Zeislinger Maria etwas angetan
haben könnte. Aber noch bevor der Gedanke in seinem Gehirn breiteren Raum
einnehmen konnte, klärte Gecks ihn und Hain über die näheren Umstände des
Todesfalles auf.
»Sie heißt …«, er griff
nach seinem Notizblock auf dem Schreibtisch, »… Ruth Liebusch. Geboren am
22.11.1949 in Gütersloh.«
»Und?«, feixte Hain.
»Sollte man die Frau kennen?«
»Das
weiß ich nicht, ob man sie kennen sollte. Mir jedenfalls hat ihr Name nichts
gesagt. Was mich aber stutzig gemacht hat, ist ihr Beruf. Sie ist nämlich
Erzieherin gewesen.«
»Erzieherin?«, fragten
Lenz und Hain wie aus einer Kehle zurück.
»Ja, Erzieherin.«
»In diesem Karlshof? In
Wabern?«
»Das, Männer, werdet ihr
sicher herausfinden, wenn ihr euch zum Tatort begebt. Die Spurensicherung ist
verständigt, der Doc sollte auch auf dem Weg sein. Also, raus mit euch.«
9
Ruth Liebusch hatte in einer Seitenstraße der Wilhelmshöher
Allee gelebt. Hain parkte etwa 100 Meter entfernt. Lenz stieg aus und gab
seinem Kollegen zu verstehen, dass er schon vorgehen solle. Dann griff er zum
Telefon und wählte Marias Nummer.
»Hallo,
Paul«, meldete sie sich. »Bist du auf dem Heimweg?«
Der
Hauptkommissar schluckte. »Nein, leider noch nicht. Ich muss mich noch um eine
Sache kümmern, dann komme ich. Aber es kann noch eine Weile dauern.«
»Geht
es um die Frau in der Kunoldstraße?«
»Ja«,
bestätigte er erstaunt. »Woher weißt du davon?«
»Ich
höre schon den ganzen Tag Radio FFH. Die haben eben darüber berichtet.«
Lenz
sah sich um. Auf der anderen Straßenseite erkannte er einen der grünen Wagen
des Senders. Davor stand die regionale Studioleiterin des Senders mit einem
Mikrofon in der Hand.
»Ja,
das kann sein. Auf jeden Fall tut es mir leid, dass ich nicht halbwegs
pünktlich zu Hause sein kann.«
»Das
macht ganz ehrlich nichts, Paul. Ich hab den ganzen Tag zu tun gehabt und bin eigentlich
ganz froh, dass du dir noch ein bisschen Zeit lässt. Hier sieht es nämlich aus
wie Kraut und Rüben.«
Dem
Polizisten lagen ein paar Fragen dazu auf der Zunge, doch er würgte sie
hinunter. »Also, ich muss Schluss machen. Soll ich irgendwas mitbringen, wenn
ich nach Hause komme?«
»Nein,
das brauchst du nicht. Ich habe den Kühlschrank gefüllt und auch die
Tiefkühltruhe. Ruf einfach an, wenn
du absehen kannst, dass du fertig bist, dann mache ich
uns eine Kleinigkeit zu essen.«
Lenz hätte weinen können
vor Freude. »Das ist unglaublich schön, Maria. Ich melde mich, sobald ich etwas
abschätzen kann, aber wie gesagt, es kann noch dauern.«
»Ich warte und freue mich
auf dich. Bis später.«
»Moment, Maria.« Der
Kommissar lauschte, weil er dachte, sie hätte das Gespräch schon beendet.
»Ja, was gibt es noch,
Herr Kommissar?«
»Hast du heute noch was
von deinem Mann gehört?«
»Klar. Außerdem haben
zwei Freunde von ihm bei mir angerufen und der Herr Polizeipräsident. Und nicht
zu vergessen die Presse.«
»Bartholdy hat bei dir
angerufen?«
»Ja. Es hat mich auch
gewundert, weil ich mit dem eigentlich nie so richtig warm geworden bin, aber
wie es aussieht, lässt Erich nichts unversucht, um mich aus deinen bösen
Krakenarmen herauszulösen.«
»Und, willst du das?«
Sie lachte kurz auf. »Ich
liebe dich, Paul. Und ich will mit dir alt werden. Da sollten wir diese
Störfeuer doch gut aussitzen können, was meinst du?«
Wieder machte sein Herz
einen Freudensprung. »Diese Störfeuer könnten aber ganz schön heiß werden.«
»Und wenn? In einem
Vierteljahr redet niemand mehr von uns oder über uns. Ich wette, Erich hat bis
dahin eine Neue, die viel jünger und schöner ist als ich.«
»Jünger als du, das
könnte klappen. Aber
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