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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
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vor den Mann,
bückte sich und rüttelte an seiner Schulter.
    »Er schläft immer ganz,
ganz fest«, kam aus seinem Rücken die Fistelstimme Melchers.
    Hain sah in das Gesicht
des Mannes vor ihm auf dem Bett. Dann griff er sich dessen linken Arm, drehte
die Innenfläche ins Licht und betrachtete die mit Einstichstellen übersäte
Haut.
    »Das war klar.«
    »Nein«, wimmerte Melchers
von hinten. »Er ist kein Junkie, ganz bestimmt nicht. Er ist Diabetiker.«
    Der Oberkommissar ließ
den schlaffen Arm fallen und warf dem nun schrill weinenden Melchers einen sehr
bösen Blick zu. »Sie machen Ihre Situation nicht besser, wenn Sie weiter solch
einen Scheiß erzählen«, zischte er ihn an. »Der Kerl ist ein Junkie, und Sie
wissen es ganz genau. Wann hat er sich den Schuss gesetzt, der ihn hier so
friedlich schlummern lässt?«
    Er stand auf und ging
langsam und mit drohendem Gesichtsausdruck auf Melchers zu. »Und keine Märchen,
sonst nehmen wir Sie mit aufs Präsidium.«
    Nun brach der schlanke,
feingliedrige, aber völlig ungepflegte Mann völlig zusammen. Sein nervtötendes
Schluchzen wurde von Tränenbächen begleitet, die ihm über das Gesicht liefen.
»Ich liebe ihn doch. Er will damit aufhören, ehrlich, aber es ist einfach zu
schwer.«
    »Wie finanziert er seine
Drogen?«
    Melchers senkte den Kopf
und startete einen erneuten Weinkrampf. »Das ist alles so furchtbar«, jammerte
er, ohne auf die Frage des Polizisten einzugehen. Hain griff zu seinem Telefon.
    »Sagen Sie mir seinen
Namen«, forderte er von seinem Gegenüber.
    »Was wollen Sie machen?«
    »Ich will seine
Personalien klären. Also brauche ich seinen Namen.«
    Wieder senkte Melchers
den Kopf. »Bitte … Ich brauche ihn. Wenn Sie ihn mir wegnehmen, weiß ich nicht,
wie ich weiterleben soll.«
    Hain drückte eine
Kurzwahltaste. Er hatte genug gehört. »Sein Name ist Louis oder so ähnlich.
Stimmt’s?«
    Der Mann im blauen
Morgenmantel starrte ihn an. »Woher …?«
    »Oberkommissar Hain,
hallo. Ich brauche einen Streifenwagen«, knurrte er ins Telefon und gab dann
die Adresse durch. »Oder Kollege, schick gleich zwei vorbei, wer weiß, wozu es
gut ist. Und einen Krankenwagen auch noch. Aber keinen Schnickschnack, ein
einfacher Krankenwagen mit einem Arzt reicht.« Danach lauschte er einen kurzen
Moment. »Danke, bis gleich.«
    Der Oberkommissar
beendete das Gespräch und warf Lenz einen beruhigenden Blick zu, weil er dessen
irritiertes Gesicht gesehen hatte.
    »Und nun zu Ihnen, Herr
Melchers. Warum leben Sie in der Wohnung der verstorbenen Frau Soffron?«
    »Wollen Sie Louis
mitnehmen? Wollen Sie ihn mir wegnehmen?«
    Hain trat hinter ihn und
nahm ihm die Handschellen ab. »Wenn Sie vernünftig sind, legen wir ein gutes
Wort für ihn ein. Wenn nicht …«
    »Oh Gott«, schluchzte
Melchers.
    »Mein Kollege und ich
warten noch immer auf eine Antwort«, mischte Lenz sich wieder ein.
    Melchers massierte sich
die Handgelenke und holte tief Luft. »Petra und ich haben hier schon seit ein
paar Jahren zusammengelebt. Sie war wie eine Schwester für mich.« Er wischte
sich über die feuchten Wangen, bevor er weitersprach. »Im Herbst hatte sie
einen Schlaganfall, seitdem habe ich sie gepflegt. Und vor einem Vierteljahr,
nach dem zweiten, ist sie dann gestorben.«
    »Hatte Frau Soffron keine
Angehörigen? Kinder, Verwandte oder so was?«
    »Nein, außer mir hatte
sie niemanden.«
    Lenz sah sich in der
Wohnung um. »Und Sie haben zusammen hier gelebt? Wie soll das denn gegangen
sein?«
    Melchers Arm fuhr nach
oben und deutete auf das Zimmer, in dem die Hunde verschwunden waren. »Das war
ihr Zimmer, das andere meins.«
    Der Hauptkommissar
drückte die Tür ganz auf und sah ins Innere. Dort lagen die Hunde
ineinandergerollt in drei mit schmuddeligen Decken ausgelegten Körben. An der
Wand stand ein kleines Bett, davor ein Rollstuhl und ein kleiner Fernseher. Auf
dem Boden lagen ein paar alte, zerfledderte Bücher.
    »Sie hat gern gelesen?«
    Melchers
schüttelte den Kopf. »Nein, damit hat sie ihr Geld verdient. Sie ist mit den
Büchern auf Flohmärkte gegangen und hat sie verkauft. Gelesen hat sie nie in
ihnen.«
    Es
klingelte. Hain bediente den Taster für die Haustür, wartete kurz, bis seine
uniformierten Kollegen die Wohnung erreicht hatten, und ließ die vier Männer
herein. Dann deutete er auf den Raum, in dem Melchers Geliebter auf dem Bett
lag.
    »Da drin liegt eine
männliche Person.

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