Schmuggler reisen unerkannt
Unbelebt
bei Tage, denn die Kneipen und Nachtbars öffnen erst gegen Abend. Hier wohnte
man nicht. Hier war ein Amüsier-Viertel. Die oberen Stockwerke der Häuser
bargen Pensionen und Hotel-Betriebe zweifelhaften Rufs.
Tims Freunde blieben zurück am
Anfang der Straße. Die drei sahen nicht aus, als wären sie willens und fähig,
Drogen zu schmuggeln.
Der TKKG-Häuptling hatte sich
die braunen Locken ins Gesicht gekämmt, was die Stirn verkürzte. Mit einem
abgebrannten Streichholz hatte ihm Gaby Luderleben-Schatten unter die
stahlblauen Augen gemalt.
Ein breites Heftpflaster,
unterwegs in einer Apotheke gekauft, überdeckte ein Stück Unterkiefer und den
linken Mundwinkel.
Tim fand, er sehe jetzt
gefährlicher aus, etwa so, wie man sich einen abgefackten, abgetörnten
Jung-Fixer vorstellt, der kriminelle Risiken eingeht zwecks Beschaffung der
Kohle für Drogen.
Er hielt vor dem In-Treff.
Das war ein großer Schuppen mit
überdachtem Eingang und Schaukästen an der Hauswand. Dazwischen gab es Fenster
mit schwarz gestrichenen, sicht-undurchlässigen Scheiben.
In den Schaukästen hingen Fotos
von der tollen Bar, der Bühne und den Tänzerinnen, die gegen Entgelt
vorführten, daß ihnen unerträglich heiß war. Auch an saukalten Tagen.
Der TKKG-Häuptling trug seine
Trainings-Uhr, ein preiswertes Plastikgebilde, das aber auf die Sekunde genau Schritt
hielt mit der offiziellen Zeit.
Die andere Uhr mußte zum
Uhrmacher. Gestern abend und genau im falschen Moment hatte sie den Geist
aufgegeben.
Es war 11.41 Uhr.
Der Eingang vom In-Treff stand
offen.
Im Innern ertönte Musik vom
Band - eine betanzbare Weise.
Tim trat durch den Eingang, kam
an einer Garderobe vorbei, ging durch eine zweite Tür und befand sich in dem
Nachtclub, der jetzt — am späten Vormittag — offenbar ausgelüftet werden
sollte.
Halbdunkel. Einige
Deckenstrahler brannten. Eine große Bar mit verspiegelten Flaschenregalen, eine
Tanzfläche mit kleiner Bühne dahinter, viele Tische für zwei, vier und mehr
Personen. Alles wirkte gepflegt und teuer.
Drei Putzfrauen, die türkische
Kopftücher trugen, sorgten für Reinlichkeit.
Hinter der Bar stand ein Mann,
hatte den Hörer eines drahtlosen Telefons am Ohr und redete gedämpft.
In der anderen Hand hielt er
ein Cognacglas, aus dem er ab und zu einen Schluck trank.
Tim schlurfte Richtung Bar.
Der Mann sah ihm entgegen.
„...weiß ich, zum Teufel,
nicht, wen ich da schicken soll“, sagte er gerade. „Ich glaube, Dieter hat
keine Freunde. Außerdem: Wen sollte ich reinziehen in so eine Sache! Was dieser
Kerl sich denkt. Aber er sitzt am längeren Hebel.“ Er deckte eine Hand über die
Muschel und sah Tim an. „Was willst du?“
„Will zu Herrn Wasenduk“, kaute
Tim durch die Zähne.
„Ich habe Besuch“, sagte der
Mann in den Hörer. „Bis später, Carlotta.“
Er legte auf.
„Ich bin Wasenduk.“
Er war groß und hager. Die
Augen standen dicht beieinander. Über hohlen Wangen lag ein blauer Schatten.
Über der Stirn war der Ganove kahl bis Kopfmitte. Er trug einen goldenen
Ohrring, an dem ein Brillant blitzte, und hatte auch mehrere Goldkronen auf
sperrig stehenden Zähnen.
Er sieht aus, dachte Tim, wie
ein ehrgeiziger Vorstadt-Ganove.
Aber er trug Designer-Klamotten
der höchsten Preisklasse: weißen Kaschmirpullover mit rotem Seidenschal,
maßgeschneidertes Sakko in Marineblau, Goldknöpfe ringsum und eine goldene
Armbanduhr, die so gewaltig war, daß es bestimmt hinderlich sein mußte, damit
weite Strecken zu laufen.
„Ich heiße Herbi — kommt von
Herbert — Feyerabend. Mit Ypsilon“, behauptete Tim. „Bin der Freund von Erika
Sonntag. Eri hat leider schlapp gemacht. In Südtirol. Mache mir echte Sorgen um
sie. Eri ist nicht gut drauf in letzter Zeit.“
„Ah so“, meinte Wasenduk und
nickte. Er blieb auf der Hut.
„Hat Ihnen Platzke gesagt, daß
Eri die Sache durchziehen sollte?“ fragte Tim.
„Wer?“
„Platzke. Hartwig Platzke.
Persönlich kenne ich ihn nicht. Aber Eri hat mir natürlich alles erzählt.
Schließlich sind wir ja sooo miteinander.“
Er faltete die Hände.
Wasenduk hüstelte. „Bis jetzt
verstehe ich kein Wort. Warum erzählst du das alles?“
Tim grinste so dreckig wie er
konnte. „Mann, ich bin kein Bulle. Sehe ich aus wie ein Bulle? Ich labere nur,
damit Sie nicht kotzmäßig denken, ich wär so ‘n abgedrehter Typ, der Dünnschiß
dröhnt. Es geht aber darum, daß Eri mich anrief, damit ich ihr helfe, damit ich
einspringe
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