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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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machen müsste.
    »Wie stellst du dir das genau vor?«, fragte Oma, winkte aber gleich ab. »Moment, erst brauchen wir mehr Kaffee.«
    Als der frisch aufgebrühte Kaffee auf dem Tisch stand, berichtete ich ihr die bisher festgelegten Details. Meine Aufgabe als
     Organisatorin und Akquisiteurin, meine Idee, einePutzfrau mit Sinn fürs Praktische einzustellen, aber Handwerker und Gärtner nur nach Bedarf zu buchen. Meine Beschränkung
     auf das Düsseldorfer Stadtgebiet, die Tatsache, dass ich ein Auto brauchte, einen Computer und dass ich Werbung machen musste,
     um bekannt zu werden.
    »Und jetzt brauchst du Geld«, stellte Oma fest.
    Es ist sicher nicht falsch, wenn manche Leute vermuten, dass ich den mir eigenen Pragmatismus von meiner Oma geerbt habe.
     Ich nickte stumm.
    »Sag mir wie viel, ich überweise es dir morgen.«
    Meine Oma ist nicht steinreich, aber sie hat nach dem Tod ihres Mannes den alten Bauernhof verkauft – nicht ohne sich vorher
     beim amtierenden Bürgermeister zu vergewissern, dass das kleine Feld zur Straße hin bereits als Bauland ausgewiesen sei. Nicht?
     Na, dann wurde es aber höchste Zeit. Es dauerte acht Monate, bis der Bürgermeister die Umwidmung im Rat durchgeboxt hatte,
     aber dann war der Erlös für den Hof fünfzehn Mal so hoch, wie er noch ein Jahr zuvor gewesen wäre.
    Oma mietete im Dorf die Wohnung, in der wir jetzt zusammensaßen, und erfüllte sich von dem Geld, das der Verkauf des Hofes
     ihr eingebracht hatte, zwei Herzenswünsche. Sie spekuliert vorsichtig und erfolgreich an der Börse und sie bereist all die
     fernen Länder, über die sie früher nur gelesen oder Fernsehdokumentationen gesehen hat. Offenbar hatte sie aber immer noch
     etwas Geld übrig, das sie ihrer Enkelin zur Unternehmensgründung geben konnte.
    »Danke«, sagte ich mit belegter Stimme.
    »Keine Ursache«, erwiderte sie, ebenfalls mit einem Kloß im Hals.
    »Mein viel größeres Problem ist die Sache mit dem Personal«, sagte ich nach einer kurzen Pause. »Besonders, nachdem du mich
     an den Traktorunfall erinnert hast.«
    »Ha!«, rief Oma und stach mit ihrer Kuchengabel in meine Richtung. »Manchmal könnte man meinen, dass es doch so etwas wie
     die göttliche Vorsehung gibt. Oder Karma.«
    Ich muss sie wohl sehr zweifelnd angesehen haben, denn sie senkte die Kuchengabel und legte mir ihre unbewaffnete Hand auf
     den Arm. »Ich habe eine Lösung für dein und für mein Problem und die heißt Lisbeth.«
    Auf diese Eröffnung brauchte ich erst mal einen starken Schluck Kaffee.
    »Lisbeth hat mir gesagt, dass sie von der Provinz die Nase voll hat. Sie wolle jetzt richtig leben und das könne man nur in
     einer Großstadt. Außerdem ist sie gelernte Hauswirtschafterin und hat, wie du weißt, dreißig Jahre in dem Genesungsheim oben
     am Hang gearbeitet. Die kann alles, besonders kochen.«
    Daran erinnerte ich mich noch gut. Als meine Großeltern ihren vierzigsten Hochzeitstag groß feierten, weil damals schon absehbar
     war, dass sie den fünfzigsten nicht mehr gemeinsam erleben würden, übernahm Lisbeth die Küche. Vier Tage vorher begannen die
     Vorbereitungen, einhundertzwölf Gäste wurden bekocht. Ich arbeitete unter ihrer Anweisung, bis mir die Fingerkuppen bluteten,
     aber in meinem ganzen Leben habe ich nicht so gut gegessen wie damals. Ob deftige Hausmannskost in Form von Pasteten und gesäuertem
     Roggenbrot oder feinste Lachsmousse im Blätterteigtürmchen, ob Hirsepudding mit wilden Waldbeeren oder pfeffriges Ingwer-Chili-Tiramisu,
     ob vegetarische Quiche mit Basilikumpesto oder Wildschweinbraten in Rotweinsauce, Lisbeth verwöhnte den Gaumen mit jedem Bissen.
     Sie arbeitete in einer Geschwindigkeit, dass uns Helfern Hören und Sehen verging, und brachte es zwischendurch immer wieder
     fertig, alle Arbeitsflächen, Werkzeuge, Töpfe und den Ofen in der Küche der Mehrzweckhalle, diewir nutzten, blitzblank zu wienern. Diese Frau schickte, ich musste beim Gedanken an meinen Firmennamen grinsen, wirklich
     der Himmel!
    »Super«, rief ich begeistert.
    Oma lachte.
    »Außerdem wäre ich froh, wenn sie möglichst bald nach Düsseldorf zieht, denn wir zwei sind nur so lange Freundinnen, wie wir
     nicht zusammenwohnen. Ich kann ihren Perfektionismus nicht mehr lange ertragen.«
     
    So kam ich, bevor ich mein Unternehmen überhaupt gegründet hatte, zu meinem ersten Bewerbungsgespräch als Arbeitgeberin. Es
     fand statt am Heiligen Abend am Esstisch meiner Oma und in ihrem Beisein. Anwesend

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