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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Wagen zum Sicherstellungsgelände.«
    Ich war kurz davor loszuschreien – dieses Auf und Ab und Hin und Her machten meine Nerven nicht mehr lange mit.
    »Entschuldigung«, sagte ich vorsichtig und ohne große Illusionen, was die Aussicht auf Erfolg anging, »aber die ganze Sache
     war ein Missverständnis. Der Parkschein   …«
    »Es gibt keine Missverständnisse«, gab die Vertreterin von Recht und Ordnung ernst aber unbeugsam zurück. »Es gibt nur gültige
     Parkscheine, sichtbar im Wagen ausgelegt. Das war hier nicht der Fall. Sind Sie fertig?«
    Den letzten Satz hatte sie an die Abschlepper gerichtet, die mit betretenen Gesichtern den Wagen wieder festgezurrt hatten.
    »Nehmen Sie es nicht so tragisch«, tönte der Dicke laut und legte mir eine Hand auf die rechte Schulter. »Nächste Ampel rechts
     und dann hinter der Baustelle, beeilen Sie sich«, flüsterte er, drückte meine Schulter und zwinkerte mir zu.
    Ich starrte ihm hinterher, nickte zu irgendetwas, das die Politesse an meine Adresse gesagt hatte, und ging mit großen Schritten
     hinter dem Abschlepper her. Zum Glück ist der Verkehr auf der Kö immer zäh, sodass ich wenige Minuten später an dem vereinbarten
     Treffpunkt ankam.
    »Machen Sie schnell, so machen Sie doch schon!«, drängelte der Dicke, der meinen Wagen bereits mit allen vier Reifen auf den
     Boden befördert hatte. Ich rannte die letzten Meter, riss die Tür auf, warf mich auf den Sitz und legte einen Kavaliersstart
     hin, wie ihn jeder Jugendliche in der Eifel beherrscht. Im Rückspiegel konnte ich sehen, wie der Jüngere die Baustellenabsperrung,
     die dem Abladevorgang den nötigen Platz freigehalten hatte, wieder an ihren Platzzurückstellte und zur Beifahrertür des Abschleppwagens lief. Tränen der Dankbarkeit traten mir in die Augen.
    Ich hatte gerade noch Zeit, mir in einem Café das Gesicht zu waschen und mein Make-up aufzufrischen, bevor mein nächster Akquisetermin
     begann. Ich fühlte mich dem eigentlich nicht gewachsen, aber Akquisetermine abzusagen kam nicht infrage. Jedenfalls nicht,
     solange ich noch auf freiem Fuß war. Hätte ich gewusst, dass dieser Termin bei einem Richter stattfand, der mir schon an der
     Haustür erklärte, dass er ein polizeiliches Führungszeugnis von mir und meiner Angestellten benötigte, hätte ich mich vielleicht
     anders entschieden. So stand ich auch diese Prüfung durch. Als ich zum Stilseminar kam, war mir bereits alles egal.

8
    Byrone schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
    Er sah mich von oben bis unten an, wobei er den Kopf nicht nur hoch und runter, sondern auch hektisch nach rechts und links
     bewegte. Sein Haupt war kahl rasiert und extrem klein, aber mit einer riesigen schnabelförmigen Nase bestückt. Er erinnerte
     mich an ein pickendes Huhn.
    Die restlichen drei Teilnehmerinnen und zwei Teilnehmer mussten eine ähnliche Musterung über sich ergehen lassen, dann hielt
     Byrone eine kleine Ansprache. Sein Akzent war undefinierbar, eine Mischung aus Englisch und Sprachen mit stark gerolltem R,
     die Stimme leicht nasal quäkend.
    »Ihr seid sicher alle liebe Menschen und vielleicht große Koryphäen in euren Berufen, aber ihr seht einfach schrrrrrecklich
     aus.« Die Intensität des gerollten R schien als stilistisches Ausdrucksmittel mit der Wichtigkeit des Gesagten zuzunehmen.
     »Allesamt. Schauderrrrhaft. Wie Landstreicher, die ihre Kleider aus dem Müll holen. Nichts passt zusammen, nichts passt zu
     euch.«
    Ich unterdrückte nur mit Mühe ein Stöhnen. Warum musste er gerade zu diesem Bild greifen? Zumal es völlig unpassend war. Hören
     Sie, stellte ich mir vor zu sagen, Ihr Vergleich stimmt gar nicht. Ich kann Ihnen zeigen, wie einLandstreicher aussieht, der sich seine Klamotten aus dem Müll holt. Kommen Sie mit, ich habe einen dabei. Er liegt im Kofferraum
     meines Autos da drüben auf dem Parkplatz. Ich presste die Lippen fest aufeinander.
    »Als Erstes geht es um die Farrrrrrbe.«
    Er nahm mich ins Visier. »Schwarrrrrrz ist keine Farbe.«
    Byrone trug Schwarz. Von Kopf bis Fuß. Natürlich modische Klamotten, aber schwarz. Das war eine Sache, die mir schon in der
     Werbebranche immer wieder aufgefallen war. Bei schwarzer Kleidung fällt der Schnitt kaum auf. Die Ärmellänge, ja, die ist
     offensichtlich, aber der Rest? Faltenwurf an den Schultern? Überbreite im Hühnerbrustbereich? Nein, schon gar nicht in Kombination
     mit einem schwarzen Rollkragenpullover. Trotzdem kleiden sich die Schwarzen jede

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