Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Teilnehmer hatten erst gelangweilt, dann aber immer interessierter zugesehen.
    »Du bist ein Sommertyp,
Corazón
, die Pastelltöne von Blau, Rosa und Violett sind deine Farben.«
    Eigentlich war ich begeistert, aber ich konnte als Geschäftsfrau meinen Kunden doch schlecht von Kopf bis Fuß in Puderrosa
     gegenübertreten. Byrone zerstreute meine Bedenken. Er legte mir einen marineblauen Schal um und faltete den rosafarbenen dazu.
    »Natürlich gehst du nicht ganz in Rosa,
Corazón
, willst du dich lächerlich machen?« Er schüttelte den Kopf so heftig, dass ich befürchtete, er könne sich vom Hals losrütteln.
     »Du trägst ein Kostüm in Marine mit einer Bluse in Rosa oder Hellblau.«
    Das Wort »Kostüm« versetzte mich kurz in Panik, aber immerhin farblich war ich glücklich, als Byrone mir die drei Farbkärtchen
     zusteckte. »Meide Erdtöne, Orange und Schwarz«, murmelte er noch, bevor er sich den anderen Teilnehmern zuwandte.
    Die rissen sich inzwischen um die Schals.
    Den anderen Teilnehmern des Seminars erging es schlechter als mir, denn sie erhielten nur jeweils zwei Farbkarten, eine kleine
     Brünette sogar nur eine.
    »Sie haben sich die Haare falsch gefärbt«, erklärte Byrone ihr in vorwurfsvollem Tonfall. »Ihre Haut ist Winter aber Ihre
     künstliche Haarfarbe ist Herbst, daher passt Ihre Kleidung zur Haut oder zum Haar, aber nie zu beidem. So, wie Sie jetzt aussehen,
     können Sie ausschließlich ein schmutziges Graubraun tragen. Wenn Sie sich schon die Haare färben wollen, dann färben Sie sie
     schwarz.«
    Sie tat mir leid.
    »Tragen Sie eine Brille?«, fragte Byrone und drückte sie wieder auf den Stuhl zurück, den sie gerade fluchtartig verlassen
     wollte. Die Brünette zögerte, nickte dann aber mit einem Blick, den man nur verzweifelt nennen konnte.
    »Setzen Sie sie auf«, befahl Byrone. Sie gehorchte.
    »Ganz falsch«, lautete sein vernichtendes Urteil. »Dieses Braun passt vielleicht im Moment zu Ihrem Haar, aber dessen Farbe
     sollten Sie, wie gesagt, sowieso ändern. Zur Haut und zu den Augen ist das Braun einfach schrrrrecklich.«
    Sie verließ den Stuhl wie ein geprügelter Hund.
    Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich das erste Drittel meines Lebens in den richtigen oder falschen Farben verbracht hatte,
     und kam zu dem beruhigenden Ergebnis, dass mein modisches Desinteresse mich vor den schlimmsten Verfehlungen bewahrt hatte.
     Meist trug ich Jeans und Blusen oder Hemden in irgendeinem Blauton dazu. Das war akzeptabel. Nur kurz hatte es eine orange
     Phase gegeben, weil die Farbe damals allgegenwärtig war und man ihr bei der Neuanschaffung von Kleidungsstücken kaum entgehen
     konnte. Vermutlich hatte die Hälfte der Bevölkerung in der betreffenden Saison ausgesehen, als leide sie an einem Magen-Darm-Virus.
     War das tröstlich?
    Ich musste an Troll denken. Ob Byrone bei ihrem Anblick die Fassung hätte wahren können? Ich zweifelte daran. Am wahrscheinlichsten
     erschien mir eine Reaktion, die von dramatischem Augenrollen über ein hektisches Zucken des Kopfes zu einer bühnenreifen Ohnmacht
     führen würde. Aber vielleicht täuschte ich mich und er würde einfach zur Salzsäule erstarren. Sicher war nur, dass Troll definitiv
     in kein Raster passte, das irgendwelche Farb-, Stil- oder sonstige Berater jemals entwickelt hatten. Und Troll wäre nicht
     Troll, wenn sie sich von solchen Normen ihr Aussehen vorschreibenließe. Ich bewunderte ihre dickköpfige Unabhängigkeit in diesen Dingen.
    Nach dem Farbspiel war die Figur dran. Wieder traf es mich als Erste.
    »Du bist zwar groß, aber natürlich trotzdem viel zu dick«, sagte Byrone. Die pummelige Brünette mit den falsch gefärbten Haaren
     neben mir ließ ein entrüstetes Zischen vernehmen. Byrone tat, als hätte er nichts gehört, und führte ungerührt seine Analysen
     fort. »Du hast ein ganz enorm breites Hinterteil, aber schöne Beine. Diese Hose mit der Bluse bis über den breiten Po ist
     sehr unvorteilhaft. Damit siehst du nur noch dicker aus, als du sowieso schon bist.«
    Die Brünette hyperventilierte.
    »Ein Pluspunkt sind die geraden Schultern, aber sie sind ein bisschen zu breit für eine Frau«, kommentierte Byrone weiter.
    Nun, bei der Verladung eines ausgewachsenen Männerkörpers in mein Auto hatte mir mein Ringerkreuz gute Dienste geleistet,
     aber das konnte ich hier schlecht zu meiner Verteidigung vorbringen.
    »Vor allem in Verbindung mit dem zu kleinen Busen ist die Schulterbreite nicht sehr feminin.

Weitere Kostenlose Bücher