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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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mit
     dem lästigen Saubermachen verbringen wollen.«
    Gong.
    Das war ja gar nicht so schwer gewesen. Erstaunlich, dass der Mann sich so bereitwillig auf das Thema Hausputz eingelassen
     hatte. Ich hatte die Gesprächsführung übernommen und er war mir gefolgt. Ein unglaublicher Erfolg! Ich drehte mich zur Bar,
     um zu sehen, ob Troll meinen Triumph mitbekommen hatte, konnte sie aber nicht entdecken. Dadurch war ich noch abgelenkt, als
     schon der nächste Mann auf dem Hocker mir gegenüber Platz nahm.
    Er sah verdammt gut aus. Das Erste, was mir auffiel, waren seine weißen Zähne. Noch nie zuvor hatte ich jemanden mit so weißen
     Zähnen gesehen. Und ich sah sie, weil er mich anlächelte. Seine Augen waren grün, sofern ich das bei diesem Licht erkennen
     konnte, er trug den franseligen Haarschnitt mit dem schräg weggekämmten Pony, der zurzeit modern ist, aber bei ihm sah diese
     Frisur aus, als käme er gerade aus dem Bett. Süß. Ich starrte ihn einfach nur wortlos an.
    »Hallo, ich heiße Marc.«
    »Hi, ich bin Corinna.«
    »Was machst du so, Corinna?«
    Ach, seine Stimme war samtig weich, dunkel, leise. Ich konnte mich kaum auf den Grund meiner Anwesenheitkonzentrieren, aber dann riss mich die Realität aus meiner Verzückung. Was ich so mache, wollte er wissen? Ich verstecke Leichen
     in meinem Kofferraum und fahre tagelang damit durch die Gegend. Und hier bin ich, weil ich Werbung für ein Unternehmen mache,
     das ich vermutlich demnächst aus dem Knast leiten werde.
    »Na ja, hier sind fünfzig Männer, Singles, vermutlich, also ist hier der richtige Ort, um meine Dienstleistung anzubieten.«
    Ein überraschtes und zugleich amüsiertes Grinsen ging über sein Gesicht. »Deine Dienstleistung für alleinstehende Männer?«
    Ich nickte. »Ja, also, weil ja nicht jeder Lust hat, es selbst zu machen und   …« Ich kramte nach den Flyern, die vom Tisch gerutscht waren.
    »Ich habe auch keine Lust, es selbst zu machen, aber ich bin sicher nicht hier, um eine professionelle Dienstleistung in Anspruch
     zu nehmen«, sagte Marc. »Im Gegenteil. Hierher kommt man, um eine Frau zu finden, die es nicht professionell macht.«
    Erst in diesem Moment ging mir auf, wovon er sprach. Und wovon er meinte, dass ich sprach. Ich spürte, wie ich knallrot anlief.
     Die Flyer hatte ich immer noch nicht zu fassen bekommen.
    »Tja, netter Versuch, aber bei mir kannst du damit nicht landen«, sagte Marc und stand auf.
    Gong.
    Ich wollte aufspringen, diesen schrecklichen Ort verlassen, frische Luft in meine Lungen pumpen und wegrennen, bis mir die
     Puste ausging, aber Troll hatte so etwas wohl schon geahnt. Sie stand plötzlich hinter mir, versuchte, ihr Lachen zu unterdrücken,
     wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und drückte mich zurück auf den Hocker.
    »Das hast du gut gemacht, Corinna«, presste sie zwischen den unterdrückten Glucksern hervor. »Das nächste Mal sagst du nur
     noch dazu, welche Dienstleistung du anbietest, und dann klappt das schon.«
    Sie bückte sich, drückte mir die Flyer in die Hand, klopfte mir auf die Schulter und verschwand in dem Moment, in dem der
     nächste Gong ertönte.
     
    Ich hielt den Rest der Stunde durch, lächelte, bis mir der Kiefer und die Wangenmuskeln schmerzten, ließ Vorwürfe wegen Missbrauchs
     einer Dating-Veranstaltung an mir abprallen, überlebte den netten Kerl, der bei der Kriminalpolizei war, und gewöhnte mir
     einen lockeren Ton an, den ich in fast allen Fällen beibehielt. Ein Mann verlangte gleich mehrere Flyer, ein anderer beschimpfte
     mich, weil ich einen Keil zwischen seine Mutter und ihn treiben wolle, aber die meisten Typen blieben nett. Der Inhaber einer
     Werbeagentur wollte mich vom Fleck weg engagieren, aber ich ließ mir nur seine Karte geben und murmelte etwas Unverbindliches.
     Nach einer Stunde war ich vollkommen erschöpft.
    Troll erwartete mich mit einem zufriedenen Grinsen und einem halben Liter Bier an der Bar.
    »Du warst großartig«, sagte sie.
    »Und du warst fürchterlich«, erwiderte ich.
    »Es hat gewirkt«, sagte sie. »Wenn ich nett zu den Jungs gewesen wäre, hättest du nicht so schnell eingegriffen.«
    Ich nickte. Ich war echt zu fertig, um ihr noch böse zu sein.
    Im Saal ging jetzt die Party los, bei der die Leute versuchten, diejenigen Gesprächspartner wiederzufinden, mit denen sie
     das eben begonnene Gespräch gern fortsetzen würden. Ich schüttete mir die Hälfte des Biers rein und musste ein Aufstoßen unterdrücken.
    

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