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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Preisen will ich ja schließlich nicht nur für meine Putzfrau arbeiten,
     hahaha.«
    Wir lachten nicht mit. Ich weiß nicht, was Lisbeth in dem Moment dachte, aber mir war klar: Aus seiner Bude hätte ich keine
     Leiche entsorgt.
    »Herzchen, Sie haben eine ganz falsche Vorstellung davon, was eigener Hände Arbeit bedeutet«, sagte Lisbeth. »Ich würde allein
     für das Fensterputzen pro Reinigung etwa vier Stunden veranschlagen, und das dann nur von innen, denn von außen brauchen Sie
     einen Kran und den bringe ich sicher nicht mit. Eine Grundreinigung der Wohnung, die mehr als überfällig ist, schlüge mit
     circa zwanzig Stunden zu Buche und dann pro Woche ungefähr zehn Stunden, da ist das Einkaufen nicht mit eingerechnet.«
    »Das ist ja wohl lächerlich«, rief der Jüngling entsetzt.
    »Genau«, entgegnete Lisbeth ungerührt. »Ihr Lebensstil ist lächerlich. Eine Wohnung kostet nicht nur Miete und Nebenkosten,
     sie kostet auch Unterhalt. Und den Stil, den Sie hier gern zur Schau stellen würden, den wollen Sie sich offenbar nicht leisten.
     Umsonst ist er aber nicht zu haben. Ziehen Sie um, das ist der beste Rat, den ich Ihnen geben kann.«
    Nun war der Dreiteiler zwar selbstverliebt bis in die Haarspitzen und ein arroganter Schnösel gewesen, aber immerhin hatte
     er mich mit seiner fesselnden One-Man-Show wenigstens für eine halbe Stunde gedanklich von meinem drängendsten Problem erlöst.
     Eine Wiederholung dieserAblenkung war mir nicht vergönnt, denn der nächste Kunde des Vormittags hatte entweder selbst eine realistische Vorstellung
     von dem benötigten Arbeitsaufwand oder er vertraute auf Lisbeths Kalkulation. Ich bekam es nicht mit, kümmerte mich aber auch
     gar nicht darum, sondern ließ Lisbeth machen und nahm zur Kenntnis, dass sein Schlüssel an ihrem Schlüsselbund landete, während
     ich in Gedanken im Kofferraum meines Autos war.
     
    Der dritte Termin des Vormittags, ein Professor der Heinrich-Heine-Universität, der uns sein Fachgebiet nicht genannt hatte,
     versuchte, Lisbeth in eine philosophische Diskussion zu verstricken.
    »Glauben Sie nicht, dass die Entfremdung des Menschen von seiner eigenen Umgebung das Gefühl der Haltlosigkeit verstärkt,
     die viele Menschen in ihrem Leben spüren?«, fragte er.
    Mit Gefühlen der Haltlosigkeit kannte ich mich seit Montagabend auch aus.
    Lisbeth unterbrach die Inspektion seiner Küche und blickte ihn erstaunt an. »Halten Sie das feuchte Auswischen eines klebrigen
     Kühlschranks für   …«, sie suchte nach dem richtigen Wort, »heilsam?«
    Der Professor wippte auf den Zehenspitzen und nickte langsam und ausdrücklich mit dem Kopf. Ich stellte mir vor, dass er in
     genau dieser Haltung vor seinen Studenten irgendeinen geisteswissenschaftlichen Diskurs führte. »Nun, viele Menschen fühlen
     sich den Kräften, die ihr Leben beherrschen, heute hilflos ausgeliefert. Sie empfinden einen starken Kontrollverlust in allen
     Bereichen ihres Daseins.«
    Haltlosigkeit, Kontrollverlust, hilflos ausgeliefert – ich wusste genau, wovon der Mann sprach.
    »Und Sie meinen, die Kontrolle über das Leben in ihremKühlschrank würde diesen Menschen die verlorene Sicherheit zurückgeben?«, entgegnete Lisbeth.
    Das würde mich jetzt auch interessieren. Ich wäre zur Lösung meines Problems durchaus bereit, meine Wohnung zu putzen.
    »Nun«, wieder dieses Wippen, »die Tatsache, dass diese Menschen auch noch in ihrem ganz intimen Rückzugsbereich fremde Kontrolle
     zulassen und die Eingriffe von außen bemerken, wenn sie in ihre Wohnung zurückkehren, könnte das Gefühl der Fremdbestimmtheit
     verstärken. Wohingegen die Fähigkeit, im privaten Bereich seines Lebens seine eigene Ordnung herzustellen und zu erhalten,
     durchaus beruhigend, ja, ich würde sogar sagen, befriedigend sein kann.«
    Ja, ich würde auch eine ungeheure Befriedigung und Ruhe empfinden, wenn ich im privaten Bereich meines Lebens mal wieder Ordnung
     hergestellt hätte. Ich dachte dabei allerdings nicht an meine Küche. Und am liebsten hätte ich ihn gleich gefragt, ob er vielleicht
     eine Idee hätte, wo ich eine Leiche loswürde, die seit Tagen in meinem Kofferraum herumlag. Allerdings hütete ich mich, dem
     Herrn zu antworten. Das überließ ich Lisbeth.
    »Glauben Sie, dass Sie ein glücklicheres Leben führten, wenn Sie vier bis sechs Stunden pro Woche auf Ihren Hausputz und die
     Wäschepflege verwendeten anstatt in dieser Zeit Bücher zu lesen oder Studenten zu

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