Schmutzengel
Ah, tat das gut! Troll schlugvor, noch etwas zu bleiben, und ich ertappte mich tatsächlich bei dem Gedanken, dem netten Marc zu erklären, dass meine Dienstleistung
nichts mit Liebe zu tun hat, aber dafür fehlte mir die Kraft. Ich hatte für heute genug geleistet. Ich setzte das Glas wieder
an, während Troll unsere Jacken holte, und erschrak furchtbar, als in dem Moment, in dem ich die Augen wieder öffnete und
mir den Schaum von den Lippen wischte, der schlaksige Fernsehmann direkt vor mir auftauchte. Er wedelte mit dem Flyer, den
Troll ihm in die Hand gedrückt hatte. Ich verschluckte mich an dem stark kohlensäurehaltigen Bier.
»Hallo, ich bin der Jens.«
Ich nickte zur Begrüßung, während mir Weißbierschaum in der Nase kribbelte.
»Was war denn das für eine Show, die ihr zwei hier abgezogen habt?«
Ich brauchte noch ein paar Sekunden, aber dann konnte ich wieder sprechen. »Das war eine Werbeveranstaltung«, keuchte ich.
»Meine Freundin meinte, dass das eine gute Idee sei.«
»Und wer von euch beiden ist nun die echte Corinna Leyendecker?« Er zeigte auf die Unternehmensdaten auf dem Flyer. Dort stand
der Firmenname, mein Name, Anschrift und Kontaktdaten der Schmutzengel. Gegen das Foto, das Troll gern aufgenommen hätte,
hatte ich ein Veto eingelegt.
»Das bin ich«, gestand ich und wurde rot. »Ich sollte hier lernen, ohne Angst auf fremde Menschen zuzugehen und ihnen meine
Dienstleistung anzubieten. Das muss ich nämlich als Unternehmerin tun, und da habe ich ziemlichen Bammel vor.«
Jens grinste. »Ich kann nur hoffen, dass du nicht genauso rüpelig warst, wie deine Freundin.«
»Nein, ich war ganz nett«, entgegnete ich und wurde noch röter, als mir das Missverständnis mit Marc wieder einfiel. Ich blickte
mich schnell um, sah ihn aber nicht mehr. Er hatte sicher eine nette Frau gefunden, die es unprofessionell und gratis machte.
Er war durchaus der Typ, für den ein solcher Abend erfolgreich endete.
»Prima Idee, jedenfalls«, sagte Jens. »Viel Erfolg!«
Ich konnte nicht erkennen, ob ihn Trolls Ankunft mit unseren Jacken in die Flucht geschlagen hatte, aber ich glaube eher nicht.
Er hätte ihr durchaus Paroli bieten können. Stattdessen stürzte er sich wieder in das Getümmel, Troll gab mir meine Jacke
und wir verließen den Saal durch den Durchgang zur Kneipe.
Ich zuckte zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf meinen Arm legte und mich herumdrehte. Greg!
»Corinna! Was machst du denn hier? Bist du allein?«
»Nein«, sagte Troll hinter Greg. »Sie ist mit mir hier.«
Greg verdrehte die Augen. »Was …«
Dann glitt sein Blick zum Saal, aus dem wir gerade kamen. »Du warst bei dieser Speed-Dating-Party?«, fragte er ungläubig.
Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. »Also ich …«
»Du glaubst gar nicht«, sagte Troll, »wie viele gut aussehende, interessante Männer zu so einer Veranstaltung kommen.«
Greg schien ihr gar nicht zuzuhören. Er starrte mich weiter an. Schließlich sagte er: »Du hast abgenommen. Steht dir gut.«
Ich war immer noch sprachlos, jetzt wurde ich auch noch rot. Und ich war mir sehr bewusst, dass ich nach Bier roch. Greg hasste
Bier. Er trank nur Rotwein, Champagner oder Whisky.
Wir standen immer noch wie drei Statuen beieinander, Greg mit seiner Hand auf meinem Arm, Troll hinter ihm und ich wie eine
Salzsäule, die versucht, nicht auszuatmen, als Jens auf der Bildfläche erschien.
»Entschuldige«, sagte er und beugte sich aus seinen zwei Metern Höhe, mit denen er uns alle weit überragte, vertraulich zu
mir hinab. »Gib mir doch noch zwei von deinen Flyern.«
Ich kam seiner Bitte nach, er zwinkerte mir freundlich zu und verschwand.
Greg hatte fassungslos zu Jens aufgeschaut, sah jetzt mich fragend an und zuckte dann mit einem hysterischen Schreckensschrei
zusammen, als Sue sich ihm von hinten an den Hals warf.
»Wo bleibst du denn …«, fragte sie vorwurfsvoll, verstummte aber, als sie mich erkannte. »Oh.«
Dasselbe »Oh« wie damals, als sie in Gregs Hemd und meinem Leben erschien.
Wenn Troll nicht eingegriffen hätte, stünden wir vermutlich noch heute alle reglos in dieser Kneipe herum.
»Tja, Leute, nett euch zu treffen, aber wir haben noch eine wichtige Verabredung«, sagte sie, nahm Gregs Hand mit zwei Fingern,
als handele es sich um einen toten Frosch, löste sie von meinem Arm und zog mich hinter sich her nach draußen. Ich ließ es
geschehen. Wir trennten uns vor der Kneipe.
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