Schmutzengel
Badezimmermöbeln bestand, wurden zwei Extra-Scheinwerfer postiert,
deren gummierte Stativfüße Rolf zusätzlich mit kleinen Handtüchern unterlegen musste.
Lisbeth hängte vor den Augen der Kamera einige gebügelte Hemden in den begehbaren Kleiderschrank, wienerte ein Paar Schuhe,
die sie mit Schuhspannern aus südamerikanischem Edelholz versah und zu den schätzungsweise fünfzig weiteren Paaren in den
klimatisierten Schuhschrank stellte. Sie polierte den Marmor im Bad, putzte eine riesige Fensterscheibe im Wohnzimmer und
wischte die Küche in einer Geschwindigkeit, die die Zuschauer an einen Zeitraffer glauben lassen würde.
Sie ließ sich dabei filmen, wie sie allerfeinste Räucherlachsscheiben so zusammendrehte, dass sie Rosenblüten glichen, diese
auf Kräcker setzte und mit Kaviar garnierte. Sie spritzte Meerrettichsahnehäubchen auf Kräcker, karamellisierte Cocktailtomaten
mit geschmolzenem Rohrzucker in einer glühend heißen Pfanne und richtete sie auf einem Bett aus sechs verschiedenen Blattsalaten
an, das sie mit Avocadoschnitzen umlegte. Uns lief das Wasser im Mund zusammen, aber Lisbeth ließ uns nicht probieren. Sie
stellte ihre Kreation in eine Art überdimensionierte Käseglocke und dann in einen der beiden Kühlschränke. Den anderen füllte
sie mit Weißwein, Champagner und Zitrussaft, für den sie drei Orangen, zwei Mandarinen, eine rosa Grapefruit und eine Limette
frisch auspresste.
Auf Nachfrage erklärte sie, dass es sich nur um die Vorbereitung eines normalen Abendessens handele. Wenn Gäste kämen, sei
die Küche nicht so rudimentär.
Lisbeth war der Star der Stunde.
Ich war glücklich.
Bis zu dem Moment, in dem die Heidi sich zu mir umdrehte und sagte: »Jetzt machen wir hier eine kleine Aufnahme von dir, wo
du ein bisschen über deine Kunden plauderst.«
Die lebenden oder die toten Kunden?, hätte ich fast gefragt, so erschrocken war ich über ihr Ansinnen. Was sollte ich jetzt
sagen, wo ich doch noch nicht einmal wusste, wem diese unglaubliche Wohnung gehörte?
»Über Kunden kann ich nichts sagen«, stammelte ich.
»Sag einfach etwas über den Durchschnittskunden«, forderte die Heidi mich auf, während sie mich an den Schultern fasste und
mich probeweise mal hierhin und mal dorthin schob. Erst stand ich vor der Aussicht auf den Rhein, dann saß ich auf dem Wohnzimmersofa
und schließlich postierte sie mich in der Küche. Der Rolf blickte durch sein Kameraauge und hatte jedes Mal etwas auszusetzen.
Zu guter Letzt landete ich wieder im Wohnzimmer.
»Unsere Kunden sind männlich, über dreißig Jahre alt und beruflich sehr stark eingespannt«, erklärte ich der schimmernden
Linse vor mir. »Einige beauftragen uns nur mit dem Hausputz, viele vertrauen uns auch ihre Wäschepflege an und andere lassen
ihren Kühlraum – äh, ich meine Kühlschrank auffüllen –«, mir wurde schwindelig, »und kleine Mahlzeiten oder Snacks vorbereiten.«
Lisbeths Miene wurde weich, sie lächelte mir zu und nickte. Ich versuchte, ihr Lächeln zurückzugeben, und stellte überrascht
fest, dass sogar ein zwanghaftes Lächeln eine gewisse Entspannung bewirkt.
»Wir gießen die Blumen auch bei längerer Abwesenheit, erledigen handwerkliche Reparaturen und bieten jede erdenkliche Dienstleistung
rund ums Wohnen«, fabulierte ich, beflügelt von Lisbeths Zuspruch.
Lisbeth strahlte, der Rolf nahm die Kamera von der Schulter und sagte: »Hab ich. Ist gut«, worauf die Jule mir das Mikrofonkabel
aus der Bluse zog und die Heidi zu ihren Schuhen eilte.
Wir wechselten die »Location«, wie die Heidi dem Rolf aus dem Treppenhaus zurief, als sei diese Tatsache nicht schon längst
klar.
Physikalisch unerklärlich war es Lisbeth auch diesmal wieder gelungen, vor uns an Ort und Stelle zu sein, sodass sie uns wieder
die Tür öffnete, als sei sie immer dort, wo wir sie nun trafen: in einem riesigen Anwesen auf einem Parkgrundstück in Grafenberg.
Allein die Illumination der Außenanlage war ein Hingucker. Baumgruppen und riesige Einzelexemplare wurden in allen möglichen
Winkeln angestrahlt.
»Ist das ein Mammutbaum?«, fragte der Rolf verzückt, bekam aber keine Antwort. »Wahnsinn!« Er versuchte, das riesige Gewächs
zu filmen, gab es aber aufgrund der Dimensionen des Motivs bald wieder auf, zumal die Heidi drängelte. Ein Blick zur Uhr verriet
mir, dass wir bereits eine halbe Stunde hinter dem Zeitplan herhinkten. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass
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