Schmutzige Haende
leeren Händen aus der Boutique.
Den ganzen Abend lang wechselten sie kein Wort.
2.
Während Billy Goat in seinem orangen Pick-up zum kleinen Flughafen von Bangor fuhr, fragte er sich, wie er sich am besten aus der Affäre ziehen konnte.
Der Italiener hatte bezahlt und somit das Recht erworben, die gewünschten Informationen zu erhalten. Ihn mit leeren Händen nach Hause zu schicken, widersprach der puritanischen Mentalität, der sich Billys amerikanische Hälfte verpflichtet fühlte.
Aber seine andere Hälfte, der Junge, der als Santo Mastropasqua in einem Arbeiterwohnblock in Milwaukee zur Welt gekommen und der dem Zynismus und dem Rassismus der WASPs zum Trotz Billy Goat geworden war, verlangte von ihm, misstrauisch zu sein. Italiener sind unaufrichtig, zweideutig, argwöhnisch, paranoid, neigen dazu, ihr Wort nicht zu halten, lieben den Betrug, kultivieren ihn wie eine hohe Kunst. Bei Italienern muss man immer auf der Hut sein. Eine totale Offenlegung konnte sich darüber hinaus auch unter dem Aspekt der
convenienza
als kontraproduktiv erweisen.
Vor drei Jahren, als der heilige Krieg gegen den roten Teufel im Osten mit einem Triumph geendet hatte, war Billy Goat genauso wie viele andere namenlose Helden, die sich an der Front der offiziell anerkannten Aktionen mit Ruhm bedeckt hatten, brutal abserviert worden. An höchster Stelle war beschlossen worden, dass man Leute wie ihn nicht mehr brauchte.
Billy hatte Freddy M. kontaktiert, einen Schwulen mit radikalen Ideen, der sich einbildete, es gäbe einen geheimen Krieg gegen den Kommunismus, und im Augenblick des Abschieds hatte er ihn ein wenig, aber wirklich nur ein wenig an dem Material schnuppern lassen, das er dabei hatte. Der eigentlich sehr oberflächliche Bericht über die Operation
Condor
hatte den jungen Mann mit den leicht geröteten Wangen in Aufregung versetzt. Gewisse Details – etwa, dass die Jungs der DINA, der Geheimpolizei Pinochets, Gefangene in Flugzeuge luden und sie in den Ozean fallen ließen, nachdem sie sie ganz human mit Morphium abgefüllt hatten – hatten bei ihm Verachtung und Rührung ausgelöst. Verachtung und Rührung, die sich bezahlt machten, als Freddy M. sein Manuskript
My Life as a State Killer
einem bedeutenden Verleger vorlegte. Der Verleger hatte sofort tief in die Tasche gegriffen. In diesem Augenblick hatte Billy bei gewissen alten Kontakten, die noch immer aktiv im Dienst standen und bei der Veröffentlichung des Buches gewiss keine Freudensprünge gemacht hätten, das Gerücht seiner plötzlichen literarischen Leidenschaft verbreitet. Und das Gerücht war mit einer cleveren Drohung gewürzt: Wenn mir etwas zustößt, wird das an einem sicheren Ort verwahrte Manuskript veröffentlicht werden, mit Namen und Nachnamen. Echten.
So hielt Billy einerseits den Schwulen an der Leine und fütterte ihn nach und nach mit Berichten und Informationen, stets im Hinblick auf ein Meisterwerk, das im besten Fall posthum erscheinen würde, für den anderen Fall hatte er sich eine nicht zu verachtende Sinekure auf Kosten der ehemaligen Partner gesichert.
Gleichzeitig nahm er aber auch kleine Aufträge an. Wie etwa den, der dem Italiener so wichtig war. Dem Mann, der an Vecchios Stelle getreten war.
Als er ihm in der Flughafenhalle mit ausgestreckter Hand entgegenging, ein breites Grinsen auf dem Gesicht, beschloss er, dass er ihm ein wenig, aber beileibe nicht alles erzählen würde. Er sollte das Zeichen verstehen. Würde er dazu imstande sein? Was ihm im Übrigen egal sein konnte.
Der Italiener, Scialoja, hatte seine Geliebte mitgenommen. Eine beeindruckende, wenn auch etwas zugeknöpfte Person. Nachdem Billy die Gäste in das Cottage geführt hatte, das er vor ein paar Monaten in Blue Hill erworben hatte, überließ er Miss Patricia der Fürsorge seiner neuen Frau Ingrid, eines Riesenweibs, die halb Norwegerin und halb Indianerin oder, wie es im Jargon der fanatischen Befürworter der politischen Korrektheit hieß,
Native American
war.
Der Italiener verriet mit jedem Satz und mit jeder Geste, wie ungeduldig er war. Er verzehrte sich nach Informationen. Billy zögerte die Sache hinaus, versuchte Zeit zu gewinnen, indem er sich auf die althergebrachte Gastfreundschaft Maines berief. Er zwang den Italiener und seine Freundin zu einer Rundfahrt durch das Dorf und lobte die Schönheiten Maines. Maine war eine Art Hafen, Maine war ein Gewinn. Maine war ein Zufluchtsort von Scheißradikalen, aber auch ein Stück jenes alten,
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