Schmutzige Haende
geht höchst zufrieden nach Hause. Zwei Tage später taucht der Sekretär des fraglichen Ministers auf. Ganz kleinlaut. Und sagt zu ihm: Ich weiß, wie es gelaufen ist, aber du musst trotzdem zahlen. Und der Freund: Aber soll das ein Scherz sein? Wo wir doch vorgestern … Ja, ja, ich weiß, „der Kassier“ und seine Spießgesellen … aber sei’s drum. Wenn es herauskommt, dass du nicht bezahlt hast, blamieren wir uns alle. Und irgendwann könnte jemand aufstehen und sagen: Meine Schwester ist mit Sowieso befreundet, meine Mutter hat mit der Tante des Präsidenten Golf gespielt … mit einem Wort, zum Besten der Partei, zum Besten des Systems, zum Besten Italiens … zahl und geh uns nicht auf die Eier!
Als Ilio fragte, von welcher Partei er spräche, machte Rampoldi eine vage Geste. Irgendjemand fragte ihn, ob er tatsächlich das sozialistische Parteibuch zurückgegeben hätte. Er nickte. Denn sie werden auch vor denen oben nicht haltmachen. Nicht einmal vor ganz oben. Nicht einmal vor Craxi werden sie haltmachen. Das garantiere ich euch. Also lieber sich umschauen und eine neue Wohnung suchen. Bei der Lega zum Beispiel gibt es Menschen, die Klartext sprechen, die die Dinge beim Namen nennen …
Und mit den letzten Tropfen der Magnum prostete man auf die Richter. Jetzt stellte Maya eine Frage, mit ihrer sanften Stimme, in der ein Anflug von vielleicht unfreiwilliger Ironie lag.
– Mit einem Wort, ihr habt alle Schmiergelder bezahlt …
Die Clique lachte. Einer brüllte: Wer noch nie Schmiergeld gezahlt hat, der hebe die Hand! Keiner hob die Hand. Nicht einmal Ilio. Maya lächelte und nahm die Kleine auf den Arm, die sich, wie es schläfrige Kinder üblicherweise tun, das Ohr rieb. Maya stellte eine zweite Frage.
– Aber warum habt ihr sie nicht bei den Richtern angezeigt?
Alle wurden mit einem Mal ernst. Und blickten auf Ilio, der den Blick gesenkt hielt. Und wechselten schnell das Thema. Aber auch die Stimmung bei Tisch hatte sich geändert. An die Stelle der Fröhlichkeit war ein angespanntes und peinlich berührtes Schweigen getreten.
Der amerikanische Freund
1.
Kaum waren sie in die elegante Suite im
Pierre
getreten, die Scialoja reservieren hatte lassen, sagte er zu ihr, er werde sie nicht nach Washington mitnehmen.
– Ich fürchte, du musst dich mit New York zufriedengeben.
– Aber warum denn?
– Ich weiß nicht, wie ich deine Anwesenheit rechtfertigen soll.
– Du kannst ja sagen, dass ich deine Sekretärin bin!
– So einfach ist das nicht bei den Puritanern … aber in zwei Tagen bin ich ja wieder da. Versprochen!
Es war aber eine Woche daraus geworden. Patrizia hatte die Gelegenheit genutzt, kreuz und quer durch New York zu laufen. Sie hatte Bekanntschaft mit der Spontaneität und der Hektik der New Yorker gemacht. Sie war staunend vor den Wolkenkratzern gestanden und hatte drei Filme verbraucht, die Twin Towers aus allen möglichen und unmöglichen Perspektiven zu fotografieren. Während der langen Spaziergänge, oder wenn sie sich im Jacuzzi und in der Hotelbar entspannte, wo sie den Kellnern großzügige Trinkgelder gab, damit sie sie in Ruhe ließen, hatte sie eine neue Erfahrung gemacht. Sie hatte Geschmack an der Freiheit gefunden. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ihr die Einsamkeit nicht Angst gemacht, sondern war ihr verlockend erschienen. Sie war wieder Herrin über sich selbst, über ihre Zeit, über ihre Entscheidungen und auch über ihre Unentschlossenheit. Tröstliche Erinnerungen waren aufgetaucht. Und im Zuge der Erinnerungen hatte sie begonnen, vage etwas Ähnliches für die Zukunft zu planen. Sie, die nie an die Zukunft geglaubt hatte. Patrizia spürte, dass ein Sturm bevorstand. Das spürte sie mit schmerzhafter Klarheit: ein Wirbelsturm, eine Veränderung vielleicht. Sie hatte versucht, mit Scialoja darüber zu sprechen. Sie telefonierten jeden Abend miteinander. Sein Ton, der manchmal schroff und manchmal so förmlich war, dass er schon kalt wirkte, hatte sie davon abgehalten. Es war der Ton eines Mannes im Dienst, eines Mannes, der eine Mission hatte. Eines Mannes, der sich nicht die Mühe machte, nachzudenken, was sich unter der Oberfläche eines Gesprächs verbarg. Sie beschloss, eine bessere Gelegenheit abzuwarten. Dennoch würde dieser undefinierbare Knoten, der sich in ihr gebildet hatte, früher oder später aufbrechen. In den Tagen der Einsamkeit machte sie noch eine andere Entdeckung. Je mehr Zeit verging, desto mehr verblasste das Bild Stalins. Das
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