Schmutzige Haende
beweisen?
– Dass er stärker ist als du. Vielleicht wollte er deine Freiheit gegen irgendeine Information eintauschen … dich zwingen, die Bosse aus dem Versteck zu locken … Es ist eine Verzweiflungstat, Angelino.
– Verdammt, ich bringe ihn um, den Bastard!
– Das ist er nicht wert, Angelo. Wir haben anderes zu tun.
Aber es dauerte eine Weile, bis sich Angelino beruhigt hatte. Wenn er daran dachte, in welch schreckliche Gefahr er sich begeben hatte, glaubte er, vor Wut zu platzen. Fast hätte er alles verloren. Mit einem Schlag. Freiheit, Macht, Ehre, Respekt … denn ein Mafioso, der sich von einem Bullen aufs Kreuz legen lässt, ist jämmerlicher als Hundescheiße.
– Ich schulde dir einen Gefallen, Stalin. Einen großen.
Später bei Patrizia zwang sich Stalin, freundlich und liebevoll zu sein, aber die Wut und die Ungeduld sprachen aus jeder einzelnen Geste, aus jedem Satz. Wenn ihn Angelino nicht über Scialojas Vorhaben informiert hätte, hätte er seinen einzigen Verbündeten verloren. Warum hatte Patrizia diesmal versagt?
– Vor zwei Wochen ist er nach Mailand gefahren.
– Ja. Hatte ich dir das nicht gesagt?
– Nein.
– Es ist mir wohl entfallen.
– So etwas darf nicht passieren.
– Vielleicht war es gar nicht so wichtig.
Patrizia war zu sehr in der Defensive. Eine problematische Situation. Eine neue Krise zeichnete sich ab. Das Versagen auf dem Nachrichtensektor war das Symptom eines viel tieferen Konflikts. Patrizia ging in die Knie. Er hatte ihr zu viel zugemutet. Patrizia verlor den Kontakt zur Realität. Wenn er nicht schnell etwas unternahm, bestand Gefahr, dass sie die Guten und die Bösen nicht mehr auseinanderhalten konnte. Zu Zeiten der Catena war das ein paar Spitzeln passiert. Sie hatten sich überrumpeln lassen. Sie hatten sich unbewusst verraten. Angesichts einer derart umfassenden Krise gab es nur drei Möglichkeiten. Ein energischer Ordnungsruf. Eine Nachdenkpause. Die endgültige Lösung. Die erste Möglichkeit schloss Stalin gleich aus. Ein Zuviel an Gewalt hätte seiner zartbesaiteten Braut womöglich den Todesstoß versetzt. Blieb die Entscheidung zwischen einem Relaunch und dem, was Vecchio früher einmal diskret als „Abbruch der Arbeitsbeziehung“ bezeichnet hatte. Von der endgültigen Lösung machte man nur selten Gebrauch. Entgegen der landläufigen Meinung gilt in der Grauzone (und die Catena machte da keine Ausnahme) das eherne Gesetz der Gewaltökonomie. Jede endgültige Lösung hinterlässt Spuren. Und Spuren bedeuten Gefahr. Eine Arbeitsbeziehung bricht man nur ab, wenn alle anderen Mittel versagten. Tagelang hatte er Rekruten erklärt, dass das Verbrechen an und für sich kontraproduktiv ist. Nur Psychopathen töten gern. Natürlich können sich unter gewissen Umständen auch Psychopathen als nützlich erweisen. Aber das ist ein anderes Thema, sagte Stalin abschließend. Und hat nichts mit Patrizia zu tun. Solange er sie im Griff hatte, würde es keine Entlassung geben. Ein gewisses Restrisiko bestand zwar nach wie vor. Aber er konnte nicht auf ihre Informationen verzichten. Noch nicht. Seufzend strich er ihr übers Haar.
– Schon gut, im Grunde ist nichts passiert, was nicht wiedergutzumachen wäre. Wir sind beide etwas gestresst. Nimm dir eine Auszeit, Patrizia. Zieh dich zwei, drei Tage zurück. Erfinde glaubwürdige Gründe. Sag, du musst dich erholen. Und wenn du bereit bist, nimmst du die Arbeit wieder auf. Ich verlasse mich auf dich, Schatz.
Genau in diesem Augenblick – es war fast Mitternacht – fügten sich Scialoja und Camporesi ins Unvermeidliche. Angelino würde nicht auftauchen. Irgendetwas war schiefgelaufen. Angelino hatte Wind von der Sache bekommen. Mit einer müden Geste pfiff Scialoja die Jungs zurück.
In der ersten Maiwoche meldete sich Angelino bei Stalin.
Guercio fuhr sie zu einem brachliegenden Gelände an der Via Ostiense und wartete im Mercedes auf sie.
Angelino schleppte Stalin zu einer kleinen, halb verfallenen Baracke voller Bauschutt.
– Da drinnen liegt der Parmesan.
Stalin warf ihm einen fragenden Blick zu. Lachend erklärte ihm Angelino, dass sie unten in Sizilien ein paar hundert Kilo Sprengstoff vorbereitet hätten.
– Um eine Mischung herzustellen, mit der die Techniker der Carabinieri nichts anfangen können, zerstoßen wir den Stoff und komprimieren ihn. Wenn er aussieht wie Parmesan, laden wir ihn auf Lastwagen und schicken ihn auf den Kontinent …
– Dann geht es endlich los!
– Schaut so
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