Schnabel, Andreas
an. »Dann werden wir uns eben ohne ihn durchschlagen. Wenn der Residente erst einmal Prinz ist, werden wir sowieso alles allein machen müssen.«
García Vidal, der während der Unterhaltung die ganze Zeit auf seinen Bildschirm gestarrt hatte, wurde plötzlich unruhig. »Na, das ist ja interessant. Angela hat die ersten Aussagen aus Deutschland für uns gebündelt. Demnach haben mehrere Teilnehmer dieser Kurse ausgesagt, dass sie Anzeige erstatten wollten, weil jemand über Geldautomaten auf ihre Konten zugegriffen habe. Es fehlten immer Beträge zwischen tausend und dreitausend Euro. Die Banken konnten aber jedes Mal belegen, dass die jeweiligen Teilnehmer selbst an den Geldautomaten gewesen waren. Obwohl die sich durchweg weder an die Abhebungen noch an Seminarleiter erinnern konnten.«
Carmen hatte inzwischen ebenfalls die Seite aufgerufen, auf der Angela sie mit frischen Informationen versorgte. Nun war sie es, die aufgeregt auf den Bildschirm zeigte. »Gucken Sie doch mal hier. Zwei der Kursteilnehmer haben ausgesagt, nach ihrer Reise geradezu panisch auf Glockenspiele reagiert zu haben.«
García Vidal ging zu Carmen rüber, um gemeinsam mit ihr auf ihren Bildschirm sehen zu können. »Da steht nichts von einer bestimmten Melodie, nur etwas von Glockenspielen.« Er überlegte kurz. »Jetzt ist mir klar, warum die Momperen gestern so seltsam auf Esmeraldas Spieluhr reagiert hat. Ihr erging es ebenso.«
Er richtete sich auf, ging zu seinem Schreibtisch, griff sich seine Dienstwaffe und steckte das Holster an den Hosengürtel. »Lass uns zu ihr fahren. Wenn wir ihr das mit den Glockenspielen sagen, wird sie sich vielleicht an etwas erinnern oder irgendwas dazu sagen können. Wo ist sie gerade?«
»Mit Tomeu und Esmeralda zusammen in Santanyí. Sie wollte sich ein paar Klamotten kaufen.«
»Ruf sie an, wir treffen uns in der Bar.«
ZWÖLF
Zu ihrer Überraschung war von Tomeu und Annmarie in der Bar noch nichts zu sehen, dafür saßen die Großherzogin und Berger an einem der Tische einträchtig nebeneinander.
»Señora Gran Duquesa«, der Comisario verbeugte sich höflich, »es ist mir eine Ehre.«
»Sie zu treffen mir auch«, erwiderte sie und nickte ihm zu, »nur hier zu sitzen nervt mich.«
Carmen begrüßte die alte Dame mit einem Handkuss. »Und warum sind Sie dann nicht zu Hause?«
Berger grinste vergnügt. »Anatol hat uns rausgeworfen. Wir würden nur stören, hat er gesagt. Und ich kann es nachvollziehen. Wenn zwei Feldmarschälle in einer Armee kommandieren, kann es nur Chaos geben.«
»Was mich am meisten wurmt«, brummte die Großherzogin, »ist die Tatsache, dass wirklich alles besser klappt, wenn Anatol allein das Sagen hat.« Sie trank ihren Cortado aus und bestellte mit einem Handzeichen vier neue. »Der Mann hat auch die kleinste Kleinigkeit im Kopf und vergisst nie etwas. Es gibt als Butler und Hofmarschall eben niemand Besseren als Anatol.« Ein tiefer Seufzer entrag sich ihrer Brust. »Und sonst ist er auch toll.«
Mit Filou als Bodyguard vorneweg betraten Annmarie und Esmeralda die Bar. Ihnen folgte Tomeu, der den Packesel gab. Shakespeare hielt dem Tross den Rücken frei. Während die Kleine sofort auf den Kühlschrank mit dem Eis zusteuerte, ließ sich Annmarie erschöpft auf einen der freien Stühle am Tisch fallen. »Herrje, war das ein Tag. Es fing schon mit einem Riesenhallo an, als ich mich heute Morgen beim ärztlichen Direktor meiner Klinik meldete. Ich bin froh, dass ich meinen alten Job sofort wiederhaben kann und zu Hause nicht vor dem Nichts stehe. Vorher mache ich aber erst einmal Erholungsurlaub.«
»Und den machen Sie hübsch bei uns, meine Liebe, damit Sie uns nicht wieder abhandenkommen«, befahl Tante Auguste.
»Eine Einladung, für die ich Ihnen sehr dankbar bin, denn ich hätte ganz allein auf der Insel doch ein wenig Angst.«
»Was ich gut verstehen kann, Madame«, pflichtete ihr der Comisario bei. »Womit wir auch schon beim Thema sind. Was war gestern mit Ihnen los, als Esmeralda diese kleine Spieluhr betätigte?«
Allein schon die bloße Erwähnung dieses Vorfalls führte bei Annmarie zu einem erneuten Schweißausbruch, und ihre Hände begannen zu zittern. »Ich habe keine Ahnung, aber es fängt schon wieder an.«
Filou sprang sofort alarmiert auf, und Carmen legte schützend einen Arm um sie. »Es kann Ihnen nichts passieren, Annmarie. Wenn Sie sich ein wenig gefasst haben, wäre es aber sehr wichtig für uns, dass wir uns darüber
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