Schnabel, Andreas
außer Berger und dem Comisario nach und nach alle anderen zurückgezogen hatten, saß García Vidal wie ein Häuflein Elend vor seinem Cortado und stierte ins Nichts, während er den Zucker hineinrührte. Berger legte mitfühlend die Hand auf seine Schulter. »Cristobal, mein Freund, warum so trübsinnig? Die Bösen sind fast alle tot.«
»Aber das Böse selbst noch nicht. Dieser Padrón schwirrt wie eine Art Bienenkönigin über unserem schönen Mallorca und kann jederzeit einen neuen kriminellen Bienenstaat gründen. Allein bei diesem Gedanken könnte ich kotzen.«
»Ihr Team hat hervorragende Arbeit geleistet. Das allein wäre schon mal ein Grund, etwas zufriedener in die Gegend zu gucken.«
»Das ist Blödsinn. Wir haben lediglich staunend zugesehen, wie ein Schwerverbrecher seine eigene Organisation blutig abgewickelt hat. Okay, seine rechte Hand haben wir erwischt.«
»Und genau deswegen könnte der Herr Comisario erheblich entspannter in die Welt gucken.«
»Eben nicht. Jetzt beginnt nämlich die unspektakuläre Kleinarbeit. Wir müssen noch einmal alle in Frage kommenden Hotels abklappern, ob die etwas über einen norddeutschen Hypnotiseur wissen, der ständig Zitronenlimonade trinkt. Wir müssen anhand der DNA -Spuren herausbekommen, wer die Frauen sind, die auf diesem Segelschiff und der Fähre nach Nordafrika entführt wurden. Wir müssen mit den dortigen Behörden Kontakt aufnehmen, was einem diplomatischen Kraftakt gleichkommt.«
»Aber ich kann doch sicher sein, dass Sie übermorgen an unserem Fest teilnehmen werden?«
»Und wie ich daran teilnehmen werde. Wie heißt es so schön auf den alten Steckbriefen: dead or alive.«
»Dann bitte alive. Dead macht so viel Dreck.«
*
Als Yussuf nach einer ersten Befragung geduscht und sich einen frischen Overall der israelischen Marine angezogen hatte, wunderte er sich über den Luxus in seiner Kabine. Er konnte die Zeit zwischen den Verhören sogar damit verbringen, TV zu sehen. Entweder lohnte es sich, in Israel Verbrechen zu begehen, oder er wurde inzwischen als ein minder schwerer Fall eingestuft. Sicher hatten Hakim und seine Hubschrauber-Besatzung ihn in puncto Waffenhandel entlastet. Dennoch machte sich Yussuf Vorwürfe. Er konnte es nicht fassen, dass er überhaupt nichts von diesen Waffengeschäften mitbekommen hatte. Vielleicht lag das daran, dass die Behälter mit den Raketen nach ihrer Ankunft in Oran immer sofort auf Lkw verladen und abtransportiert worden waren. Wenn er den Offizier, der die Verhöre führte, richtig verstanden hat, war Hakims Vater zudem mehr in die Sache verstrickt als sein eigener.
Die Tür seiner Kabine wurde geöffnet, und eine Offizierin, den Schulterstücken nach zu urteilen, kam herein. Yussuf wusste nicht, ob diese Frau im Dienstrang nun höher oder niedriger als er war. Sicherheitshalber stand er auf und salutierte. Sie grüßte zurück, und beide setzten sich an den kleinen Tisch.
»Major al Madgier, ich bin Commander Yael Elazar vom Judge Advocate General’s Corps der israelischen Kriegsmarine. Ihre Angaben, nicht an dem Waffenhandel beteiligt gewesen zu sein, haben sich bestätigt. Selbst vom Vorwurf des Mordes sind Sie dank Zeugenaussagen befreit. Dennoch bleibt die Tatbeteiligung an Menschenhandel und Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung bestehen. Wie bekennen Sie sich?« Yussuf konnte den Ekel in den Augen dieser aparten jungen Frau sehen.
»Sind Sie für die Anklage hier, oder verteidigen Sie mich?«
»Ich bin in Ihrem Fall die Anklägerin.«
»Dann plädiere ich auf schuldig und unschuldig.«
»Würden Sie sich bitte für eines entscheiden?«
»Das geht nicht. Ich bin schuldig, weil ich Angehöriger eines Stammes bin, der es als völlig normal ansieht, eine Frau zu kaufen und diese den Stammesritualen durch Gewalt zu unterwerfen. Ich bin schuldig, dagegen nicht aufbegehrt und eine gekaufte Frau sogar als mein Eheweib angenommen zu haben. Unschuldig im Sinne der Anklage bin ich, weil ich mich an der Frau, die mir mein Sheik geschenkt hat, nicht vergangen habe. Im Gegenteil, ich habe ihr zur Flucht verholfen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Tatsache auch meinem Waffenbruder Hakim Ben Brahim gutschreiben würden. Er hat mir maßgeblich dabei geholfen.«
»Wissen Sie überhaupt, ob die Flucht gelungen ist? Sie gaben an, daran gezweifelt zu haben.«
»Nein, das weiß ich nicht. Ich habe aber dafür gesorgt, dass die Konsulate über den Vorfall informiert wurden. Ich hoffe, man
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