Schnabel, Andreas
dass viele Touristen es fälschlicherweise als das berühmte »Gaudi-Haus« ansahen.
»Wieso dürfen Bürokraten es auf der Arbeit derart schön haben? Das ist ungerecht«, maulte Berger, als sie das Foyer des Hauses betraten.
»Miguel, nur weil Sie Bürokraten nicht mögen, müssen die nicht in einem heruntergekommenen Loch hausen. Und immerhin ist es Ihr Land, das hier repräsentiert wird.«
»Mein Land?« Berger zuckte zusammen, aber dann huschte doch ein Lächeln über sein Gesicht. »Es stimmt, ich bin ein Deutscher und werde es wohl immer bleiben.«
»So, wie ich immer ein Mallorquiner sein werde«, García Vidal nickte ihm aufmunternd zu, »obwohl wir beide in Spanien wohnen.«
Da sie außerhalb der Bürozeiten eintrafen, war die Tür zum Treppenhaus verschlossen. Sie klingelten und warteten, bis ihnen von einer resolut anmutenden Mittvierzigerin geöffnet wurde.
»Señora Flach?«, fragte der Comisario höflich.
Ein Lächeln huschte über ihr hübsches Gesicht. »Die Herren García Vidal und Berger, nehme ich an«, antwortete sie in perfektem Mallorquin. Sie öffnete die Tür ganz und trat beiseite, um sie einzulassen. Dann führte sie ihre Besucher in ein kleines, zweckmäßiges Büro. »Bitte setzen Sie sich, meine Herren. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Ein Glas Wasser wäre sehr freundlich.« Berger war angesichts der Begrüßung ehrlich überrascht. »Ich hätte nicht gedacht, Frau Konsulin, von Ihnen in der Landessprache angesprochen zu werden.«
»Ich denke«, erwiderte sie, »dass es nur höflich ist, unseren Gast in seiner Sprache anzusprechen.«
Berger war verdutzt. »Unseren Gast?«
»Sí, Señor. Der Comisario ist unser beider Gast. Dies ist auch Ihr Haus, wenn auch nur zu einem Achtzigmillionstel.« Sie entnahm einem Kühlschrank zwei kleine Flaschen Mineralwasser und zwei gekühlte Gläser, füllte sie halb und stellte sie vor Berger und García Vidal. Dann setzte sich ihnen gegenüber an ihren Schreibtisch. »Meine Herren, ich bitte Sie sehr herzlich, Ihren Besuch mit Diskretion zu behandeln. Eigentlich ist es zu früh, mich an Sie zu wenden, doch wenn es aus Sicht der Verwaltung an der Zeit wäre, könnte es für die Sache zu spät sein.«
»Und was ist ›die Sache‹?«, fragte Berger.
»Ihre Dienstmail über den Tod dieses bedauernswerten Herrn von Michelsen, dessen Leiche heute Morgen in der Cala S’Almunia geborgen wurde. Beim letzten Arbeitsessen des hier auf Palma versammelten internationalen ausländischen Korps berichteten meine europäischen Kolleginnen und Kollegen ebenso wie der russische Konsul von seltsamen Besuchen in ihren Konsulaten, bei denen tief verschleierte Landsfrauen darum baten, ihre Ehe mit einem Araber der muslimischen Religion mit allen für sie nachteiligen Konsequenzen urkundlich zu beglaubigen. Und nun raten Sie, wer heute in meinem Konsulat um eine solche Beurkundung bat?«
»Seine Schwester?«
»Sí, Señor Comisario. Die tief verschleierte Abiya Abu Salama, eine geborene Freifrau von Michelsen zu Ahrenshoop und verwitwete von Siehl.«
»Demnach hat sie den Araber bereits geheiratet?«
»Si, Señor Berger. Hier auf Mallorca, und zwar heute Morgen.«
»Und mittags sollte alles schon in trockenen Verwaltungstüchern sein?«
»Sí, Señor.«
Berger pfiff durch die Zähne. »Das sind aber welche von der ganz schnellen Sorte.«
»Was mir besonders große Sorgen macht, ist die Tatsache, dass mein Mitarbeiter, der mit dem Ehemann, der Braut und einem Dolmetscher zu tun hatte, der Meinung war, dass es sich bei der Dame unter dem Schleier gar nicht um Frau von Siehl handelte.«
»Und wie kommt er darauf?«
»Er behauptet, dass die Augen der Dame laut Personalausweis eine andere Farbe haben als die Augen, die ihn durch den Schleier hindurch ansahen. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die drei geradezu fluchtartig das Konsulat verließen, als Señor Wirz darauf bestand, die Dame entschleiert zu sehen, um ihre Identität feststellen zu können.«
Der Comisario wurde hellhörig. »Wie hat der vermeintliche Ehemann darauf reagiert?«
»Mit Aggression. Er beschuldigte meinen Mitarbeiter, seine Frau mit dieser Forderung beleidigt und entehrt zu haben.«
Berger schüttelte den Kopf. »Wenn diese Spinner auf Krawall gebürstet sind, muss immer die Ehre herhalten. Das ist ein alter Hut.«
García Vidal sah ihn irritiert von der Seite an. »Miguel, haben Sie etwas gegen Muslime?«
»Nein, und das wissen Sie auch«, dementierte
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