Schnabel, Andreas
Konsulat.«
»Hat sie die Schwester unserer Leiche gefunden?«, fragte Angela Bischoff. »Dann kann ich ja die Recherchen, um die du mich vorhin hast bitten lassen, sausen lassen.
»Das wäre vielleicht ein bisschen früh. Gefunden hat sie Antonia wohl nicht, aber sie muss etwas über sie wissen, denn sie geht fest davon aus, dass der Tod ihres Bruders augenblicklich Antonia von Siehls kleineres Problem ist.«
*
Yussufs Herz zersprang fast vor Anspannung, als sich der Vorhang öffnete und er zum ersten Mal seine zukünftige Gattin leibhaftig vor sich sah. Genauso jäh war der Absturz seiner Glücksgefühle, als er gewahr wurde, dass da keine liebende, vor Verlangen glühende Gattin auf ihren gütigen Gebieter wartete. Er erhob sich von seinem Lager, machte ein paar Schritte auf sie zu und hob mit zwei Fingern, die er unter ihr Kinn schob, vorsichtig ihren gesenkten Kopf an, sodass er in ihre Augen sehen konnte. Er sah in die unendlich traurigen Augen eines Engels. Das war keine stolze, schöne Frau, sondern eine, die wie Schlachtvieh an einen Strick gebunden ihrem Schicksal entgegengeführt wurde. Vor ihm stand ein gewürgter Engel, daneben Hassan, der getreue Diener seines Onkels. Er sollte, wie es Sitte war, die Frau mit all ihren Vorzügen ihrem neuen Herren anpreisen.
»Schaut nur, Yussuf Ibn Draghi, was für ein Weib euch euer Onkel Sheik Omar zum Geschenk machte.« Er griff, laut lachend, an ihren Umhang und riss ihn mit einer kräftigen Bewegung rücklings von ihrem Körper. »Schaut nur diese herrlichen Brüste und diesen köstlichen …«
Entsetzt hielt er in der Bewegung inne, mit der er der anzupreisenden Braut in den Schritt greifen wollte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, und sein Blick wanderte ganz langsam zu Yussufs Hand unter seinem Kinn, die ihm eine funkelnde Klinge an den Hals hielt.
»Hassan, du Schinder der Gebeugten. Wage es, meine Frau auch nur mit einem Blick zu berühren, und du wirst augenblicklich Allah, dem Rächer der von dir Geschundenen, gegenüberstehen. Und ich schwöre dir, er wird sich von dir auf deinem Weg zu den Dämonen der Finsternis abwenden.«
»Bitte verschont mich, Herr«, winselte Hassan. »Ich werde gehorchen, aber bitte verschont mich.« Ein kleiner Blutstropfen bahnte sich seinen Weg über den blanken Stahl des rasierklingenscharfen Dolchs.
»Du wirst sie sofort wieder bedecken.«
Langsam ging der Mann in die Knie; die Klinge an seiner Kehle folgte der Bewegung. Mit einer Hand angelte er, ohne hinsehen zu können, nach dem Umhang, hob ihn hoch legte ihn der Frau um die Schultern. Yussuf konnte in ihrem Blick etwas wie Dankbarkeit erahnen.
»Ist es so recht?«, krächzte Hassan.
»Jetzt knie vor deiner zukünftigen Gebieterin nieder und küsse ihr in aller Demut die Füße.«
Hassan ließ sich derartig schnell auf die Knie fallen, dass Yussuf Mühe hatte, seinen Dolch rechtzeitig wegzuziehen. Ehrerbietig küsste er ihr beide Füße, riss sich seinen Fez vom Kopf und bot ihr sein blankes Haupt dar.
Irritiert schaute die Frau auf die vor Schweiß feuchte Halbglatze.
Yussuf spürte ihre Hilflosigkeit. »Parlez-vouz français, Madame?«
»Oui«, antwortete sie mit leiser Stimme, ohne ihn anzusehen.
»Dann berühren Sie ihn an der Schulter, wenn Sie seine Entschuldigung annehmen, oder treten Sie sein Gesicht in den Staub, und er wird augenblicklich seinem Schöpfer gegenüberstehen.«
Nach kurzem Überlegen beugte sie sich vor und berührte mit der anmutigsten Bewegung, die Yussuf jemals gesehen hatte, die Schulter des noch immer wimmernden Dieners. »Er soll leben, denn wir sind beide Kreaturen Gottes, und nur er bestimmt, wann wir vor ihn treten dürfen.«
»Es sei«, brummte Yussuf. »Krieche mir aus den Augen, du Wurm«, wies er Hassan an.
Ohne den Kopf oder auch nur den Blick zu heben, kroch der Diener aus dem Zelt.
Yussufs Stimme bekam etwas Weiches. »Darf ich Ihren Namen erfahren?«
»Meinen Sie den, der mir aufgezwungen wurde? Dann rufen Sie mich Leyla.« Sie sah ihn noch immer nicht an.
»Ich meine den, der Ihre Seele berührt.«
»Meine Eltern tauften mich Annmarie.«
»Und was muss ich tun, um Ihr Herz zu gewinnen?«
Sie sah ihn mit großen traurigen Augen an. »Greifen Sie nur zu, Monsieur, Sie können dabei nichts falsch machen. Es ist bereits alles tot.«
*
Das deutsche Konsulat befand sich im obersten Stockwerk eines wunderschön restaurierten Altbaus mitten in Palma. Das Gebäude war so wunderbar und reich verziert,
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