Schnabel, Andreas
geht.«
Mit ein paar Sätzen hatte er Garoix über den gesamten Sachverhalt informiert. Nun kam auch der frische Kaffee, sodass sich die Laune des Mediziners sichtlich besserte.
»Also wenn das so ist, Señor Comisario, dann lassen Sie mal Ihren Joker auf der Hand. Ich weiß schon, was ich im Bericht angebe.«
»Und was, wenn ich fragen darf?«
»Kommen Sie mal mit, ich habe den Guten noch auf dem Tisch.«
Sie gingen in den großen, weiß gekachelten Sektionsraum, in dem sechs Edelstahltische nebeneinanderstanden. Überhaupt war alles, was in diesem Raum stand oder an der Wand hing, aus blinkendem Edelstahl. García Vidal und Berger zogen sich auf Anweisung des Arztes jeder einen grünen Einwegkittel und eine OP -Haube an, streiften sich Handschuhe über und banden sich eine Gesichtsmaske um.
»Und wozu die Maskerade?«, erkundigte sich Berger neugierig. »Haben Sie Angst, dass sich der junge Mann etwas wegholt?«
»Nein, zum neuen Institut gab es neue Vorschriften gleich mit dazu. Solange die Leiche noch nicht freigegeben wurde, darf sie mit keinerlei Fremd- DNS kontaminiert werden.«
Sie traten an den Sektionstisch, auf dem der junge von Michelsen aufgebahrt lag. Wie von Geisterhand, ohne dass ein entsprechendes Leuchtmittel zu sehen war, wurde das gesamte Arbeitsfeld in gleißendes Licht getaucht.
»Tatsächlich gab bei dieser Leiche Dinge«, begann Garoix, »die nicht ganz ins Bild des Ertrinkens passen.«
»Aber ertrunken ist er mit Sicherheit?«, unterbrach Berger.
»Sí, todsicher. Der hatte das halbe Mittelmeer in den Lungen. Ungewöhnlich dabei ist: Das Wasser war bereits gekippt, als er es aspirierte. Eigentlich hätte es beim Ertrinken im offenen Gewässer aber frisch sein müssen. Davon abgesehen ist alles normal. Ich konnte Verkrampfungen und Einblutungen in die Augäpfel feststellen, was bei einem derart heftigen Todeskampf, den ein Ertrinkender durchmacht, normal ist. Aber das Blutbild stimmt mit Ertrinken nicht überein. Dabei zappelt man extrem um sein Leben, also wird Adrenalin ab-und Lactat aufgebaut. In seinem Blut war das Verhältnis genau umgekehrt.«
»Haben Sie den toxischen Status abgefragt?«
»Bisher nicht. Dafür gab es keinen Grund«, rechtfertigte sich der Arzt. »Entweder war ihm der eigene Tod scheißegal, oder er war mit Tranquilizern komplett zugedröhnt.«
»Es kommt also Suizid in Frage?«
»Nicht unbedingt. Man kann jemanden ja auch sedieren, bevor man ihn umbringt. Das kann uns aber erst die toxikologische Untersuchung sagen, und das wird alles in Barcelona gemacht.«
»Dann ermittle ich ab sofort im Mordfall von Michelsen. Hilft Ihnen das weiter, um die toxikologische Untersuchung rechtfertigen zu können?«
»Sí, Comisario, so kann ich den Fall ohne weitere Genehmigungen an die ganz große forensische Glocke hängen.«
»Ich danke Ihnen. Haben Sie schon einen Anhaltspunkt, wo der Mann ertrunken sein könnte?«
»Das ist ebenfalls so ein Mysterium. An und in seiner Kleidung fand ich massenhaft Algen, die aufgrund der Strömung nur auf der Ostseite der Insel vorkommen und in dieser hohen Konzentration auch nur in deren südlicher Hälfte. Das passt zum Fundort, der Cala S’Almunia. Es passt aber überhaupt nicht zu den toten Algen, die wir in seiner Lunge gefunden haben.«
»Es passt schon«, murmelte Berger unter seiner Maske. »Die Algen an seiner Kleidung zeigen uns, wo er ins Meer geworfen wurde, nämlich bei Porto Petro, wo er vermutlich nicht nur seine Schwester, sondern auch den Sensenmann vorgefunden hat. Umgebracht wurde er durch diese Art der Entsorgung aber nicht.«
»Und wie dann?«, fragten der Comisario und Garoix wie aus einem Munde.
»Ich fürchte, auf ziemlich bestialische Weise. Der Mann hatte, als er starb, eine Vollmaske auf, in die quasi das ganze Gesicht hineinkommt. Das sind sündhaft teure Dinger, die sich nur Berufstaucher leisten, die während des Tauchganges über Funk miteinander kommunizieren müssen. Ich tippe mal, dass sich bei Michelsen das Wasser nicht außerhalb der Maske, sondern darin befand. Es kam auch nicht frisch und kühl aus dem Meer, sondern abgestanden und warm aus einem ollen Kanister.«
»Sie denken also, dass man den armen Kerl in so einer Maske hat ersaufen lassen?«
»Sí. Ich kann es aber nicht beweisen.«
»Aber ich«, sagte Garoix. Er wandte sich einem Computer zu, dessen Tastatur mit einer Latexhaube geschützt war, und tippte etwas ein. »Ich werde eine Hautprobe einschicken. Mit Hilfe
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