Schnabel, Andreas
Berger entschieden. »Ich habe jedoch etwas gegen Fundamentalisten, und zwar solche jeglichen Lagers. Wer seine Religion dazu instrumentalisiert, persönliche Machtansprüche oder Ziele brutal durchzusetzen, der ist mein Feind.«
»Das mag sein, Señor Berger«, unterbrach ihn die Konsulin, »aber ich denke, dass es bei den Damen gar nicht um persönliche Machtansprüche geht, sondern mehr um deren Barschaft.«
»Inwiefern?«, fragte García Vidal.
»Der russische Kollege, die finnländische Konsulin und der kommissarische Vertreter Luxemburgs und der Niederlande berichteten mir, dass die betreffenden Damen wohl ziemlich vermögend waren. Und ich kann für meinen Bereich sagen, dass auch die verwitwete Frau von Siehl über einige hochinteressante Immobilien und reichlich Geld auf der Bank verfügt.«
Der Comisario nahm einen Schluck Wasser. »Im arabischen Raum ist es üblich, dass die gesamte irdische Habe der verheirateten Frau automatisch in den Besitz des Ehemannes übergeht. Sie hat ohne ausdrückliche Genehmigung ihres Gemahls nicht einmal das Recht, Geld von ihrem eigenen Konto abzuheben.«
»Aber dafür«, erwiderte Berger grinsend, »hat er die ewig nörgelnde Dame an der Backe. Das ist auch nicht schön.«
»Weit gefehlt, Señor Berger. Der Ehemann muss nur vor Zeugen dreimal ›Ich verstoße dich‹ sagen, und schon ist die Scheidung nach islamischem Recht offiziell.« Die Konsulin lächelte ihn an. »Die ›nörgelnde Dame‹, wie Sie sie bezeichnen, ist er los, aber das Geld bleibt seins.«
García Vidal wirkte sehr nachdenklich. »Nehmen wir einmal an, Frau Konsulin, dass Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen recht haben. Dann haben wir es mit einem der perfidesten Verbrechen zu tun, von denen ich jemals gehört habe. Wenn ich nur daran denke, krampft sich alles in mir zusammen. Ich befürchte aber, dass wir nur sehr schwer etwas dagegen tun können.«
»Wieso das denn?«, protestierte Berger. »Den Kerlen gehört der Arsch aufgerissen, wenn an dem Verdacht was dran ist.«
»Selbst wenn er sich bestätigt, stehen wir machtlos da.«
»Aber Cristobal, ich bitte Sie. Da kommt ein kleiner armer Araber, schnappt sich eine reiche Dame und plündert ihre Konten. Es ist doch offensichtlich, dass da etwas nicht stimmt.«
»Miguel, haben Sie in letzter Zeit einmal auf Ihr Konto geguckt?«
»Wozu? Das lohnt sich nicht, und das wissen Sie.«
»Genau, das weiß ich, aber ausgerechnet Sie wollen bald eine sehr reiche Dame heiraten.«
»Ja, aber das ist doch nicht zu vergleichen.« Berger sprang von seinem Stuhl auf und lief aufgebracht hin und her. »Erstens lieben wir uns, und zweitens will nicht ich sie heiraten, sondern sie mich.«
»Miguel«, kam es beruhigend von García Vidal. »Ich bin Ihr Freund und weiß, dass Sie sich beide gegenseitig heiraten wollen. Aber wie denken wohl Ihre Feinde darüber? Manch einer wird sich laut fragen, wie es kommen kann, dass die reiche, wunderschöne Elbenkönigin ausgerechnet einen Ork heiraten will.«
»Sie ist eben scharf auf meine Miesen bei der Bank«, kam es beleidigt von Berger. »Ich bin pleite, aber sexy.«
»Doch was«, wandte die Konsulin ein, »könnten selbst Ihre erbitterten Gegner dagegen machen? Gar nichts. Es fehlt ihnen nämlich die rechtliche Handhabe. In Ihrem Fall ist das ein Glück, im Falle der Frauen hingegen ist es furchtbar. Sie sind ihren Ehemännern ausgeliefert, und wir können nichts dagegen tun. Wir müssten schon einen plausiblen Verdacht formulieren können, um eine Ermittlung in Gang zu bringen. Heiraten, wen auch immer, ist weder in Deutschland noch in Spanien verboten.«
»Da wird sich aber doch etwas finden lassen«, meinte Berger, nachdem er sich wieder gesetzt hatte. »Sie sagten doch, Ihr Mitarbeiter habe den Verdacht gehabt, dass die verschleierte Dame gar nicht Frau von Siehl war. Ist das dann nicht Betrug?«
García Vidal schüttelte den Kopf. »Das ist ein bisschen sehr weit hergeholt.«
Sein Handy klingelte. Er nahm den Anruf entgegen und horchte angestrengt, nickte ein paarmal und klappte das Telefon dann wieder zusammen. »Das war die Gerichtsmedizin. Señor von Michelsen ist ertrunken.«
»So ein Mist«, entfuhr es Berger. »Dann müssen wir die Ermittlungen einstellen.«
»Nicht unbedingt.« García Vidal erhob sich. »Frau Konsulin, ich hätte gern eine offizielle Vermisstenanzeige für Frau von Siehl von Ihnen, in der Sie den Verdacht einer kriminellen Handlung äußern. Dann habe ich für weitere
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