Schnabel, Andreas
war wegen eines Unfalls gesperrt, und García Vidal nahm einen Schleichweg über die Küstenstraße.
»Es ist Neumond, Miguel, und glauben Sie mir bitte, bei Ihnen zu Hause ist es nachts genauso dunkel wie bei uns.«
»Nein, eben nicht. Bevor man die Lichtkorona einer deutschen Großstadt so weit verlassen hat, dass es um einen wirklich dunkel werden könnte, tut sich am Horizont schon wieder das nächste Lichtermeer auf. Ich stamme aus einem Land, Cristobal, das seine Nachtruhe verloren hat, das niemals mehr richtig schläft.«
»Was wollen Sie mir mit diesem poetischen Anfall sagen?«
»Was für einen Anfall meinen Sie?«
»Normalerweise hätten Sie gesagt: ›Meine Fresse, hier ist es heute wieder dunkel wie in einem Kuharsch.‹«
Berger grinste. »Und von Ihnen käme nach diesem Satz die Frage, woher ich meine Kenntnisse habe.«
»Sí, Señor. Also bitte, woher dieser Wandel?«
»Gräfin Rosa bat mich, meine Umgangssprache etwas mehr der einer zukünftigen königlichen Hoheit anzupassen.«
Der Comisario grinste. »Lassen Sie sich nun doch von der Großherzogin adoptieren?«
»Es scheint mir der einzige Weg zu sein, einer feindlichen Übernahme zu entgehen.«
»Miguel«, kam es flehentlich von García Vidal. »Bitte zerstören Sie nicht mein Bild von Ihnen als Paar, und sagen Sie mir, dass sie das auch aus Liebe zu Gräfin Rosa tun.«
»Cristobal, meiner Gräfin zuliebe würde ich mich sogar von Alice Schwarzer adoptieren lassen.«
Der Comisario konnte mit dem Namen anscheinend nichts anfangen. »Muss ich die kennen?«, fragte er.
»Besser nicht, mein Freund. Aber es würde mich interessieren, wie wir den eventuellen Kidnappern der geborenen Freifrau zu Ahrenshoop den nicht unwahrscheinlichen Mord an deren Bruder anhängen wollen.«
»Was fragen Sie mich, Miguel? Den Kreativpart in solchen Dingen übernehmen sonst doch immer Sie.«
García Vidals Handy klingelte. Angela Bischoffs Stimme war über die Freisprecheinrichtung auch für Berger zu hören.
»Hallo, mein Schatz«, flötete der Comisario, »ich bin auf dem Weg zu dir.«
»Du fährst nach Palma?«
»Nein, nach Santanyí.«
»Ich bin aber noch im Büro. Du hattest mich doch mit Recherchen zu deinem toten Adligen beauftragt.«
»Gibt es denn da schon was Neues?«
»Die Kollegen der Hamburger Kripo haben seine Wohnung durchsucht und einiges rausbekommen.«
García Vidal fuhr rechts ran und horchte gespannt.
»Also, Guntram von Michelsen war, wie wir bereits wussten, Steuer-und Vermögensberater und hatte in Hamburg eine Einmannkanzlei. Sein Kundenstamm war handverlesen und dementsprechend exklusiv. Die Großherzogin dürfte seine Klienten gut kennen, es sind einige gesellschaftliche Highlights darunter. Von Michelsens mit Abstand bester Kunde war aber seine Schwester, mit der er sich offensichtlich sehr gut verstand. Er hat alles, was über ein monatliches Taschengeld hinausging, für sie geregelt. Das geht aus dem sehr innigen Mailverkehr zwischen den beiden hervor. Den der letzten sechs Monate habe ich bereits überspielt bekommen. Seltsamerweise musste dafür aber von Michelsens Telefon-und Internetanbieter bemüht werden. Es wurde nämlich aus allen Rechnern, die in der Wohnung gefunden wurden, die Festplatte entfernt.«
»Also war jemand schon vor den Kripokollegen in der Wohnung, um Spuren zu vernichten. Dann haben wir es nicht nur hier auf Mallorca mit diesen Verbrechern zu tun, sondern auch in Deutschland.«
Angela versuchte, ihn zu beruhigen. »Das muss aber noch lange nicht heißen, dass wir es mit einem ganzen Syndikat zu tun haben. Man kann auch von hier aus Leute beauftragen, in Deutschland tätig zu werden. Man muss nur die richtigen Kontakte haben.«
García Vidal nickte. »Wir werden sehen, was da auf uns zukommt. Haben wir denn nun ein Lebenszeichen von der Freifrau?«
»Das Letzte, was von Michelsens Schwester digital von sich hat hören lassen, war vor vierzehn Tagen eine Mitteilung auf Facebook, sie sei gut in Mallorca angekommen und wolle ihm ihre Adresse mailen, sowie sie im Hotel sei.«
»Steht da irgendwo welches Hotel?«
»Leider negativ. Ich habe eben mit Carmen telefoniert. Sie will persönlichen Nachlass aus der Villa Sirena noch mal auf entsprechende Notizen filzen.«
»Gehen die deutschen Kollegen auch in die Wohnung der Schwester?«, wollte Berger wissen. »Vielleicht werden sie ja dort fündig.«
»Soweit ich weiß, ja.«
»Gut, mein Schatz.« Der Comisario übernahm wieder. »Sehen wir uns
Weitere Kostenlose Bücher