Schnabel, Andreas
Computer begann soeben damit, das Gesicht des Toten mit den Gesichtern all der Menschen zu vergleichen, die in den vergangenen vier Wochen über den internationalen Flughafen eingereist oder mit einer der Fähren im Hafen von Palma angekommen waren.
»Hola, Carmen«, sagte García Vidal und zapfte sich mit einem Pappbecher Wasser aus dem Spender. »Was sagt unsere máquina digitalis ?«
Carmen sah nicht einmal vom Bildschirm auf. »Diese Dinger nennt man Computer, Chef. Und wenn man sie mit dem ihnen gebührenden Respekt behandelt, stürzen sie auch nicht so häufig ab wie bei Ihnen.«
»Hört, hört, welche Hochachtung vor Drähten und Blech. Sagst du nicht immer wieder, dass so ein Teil im Prinzip dumm ist und man ihm genau sagen muss, was man von ihm will?«
»Sí, Señor, und das tut er dann auch anstandslos.«
García Vidal lachte gehässig auf. »Das wüsste ich aber. Wenn ich etwas eingebe, passiert nichts weiter, als dass mein Computer überlegt, wie er mich ärgern kann.«
»No, Señor, er überlegt, wie er sich verhalten soll. Sie geben nämlich meist etwas ein, was reziprok zu dem steht, was Sie eigentlich wollen.«
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht, oder?« Der Comisario setzte sich an seinen Schreibtisch. »Warum hängt er sich denn trotz reiflicher Überlegung dann letztlich immer auf?«
Berger zapfte sich ebenfalls ein Becher Wasser. »Aus purer Verzweiflung, Cristobal. Er weiß, was Sie wollen, muss aber das tun, was Sie ihm sagen.« Carmen kicherte.
García Vidal sah ihn beleidigt an. »Also, Angela ist keine Maschine, weiß aber immer, was ich will.«
Berger lächelte breit. »Sie tun ja auch immer das, was sie sagt.«
Der Computer piepte, und García Vidal schaute genervt auf Carmens Bildschirm. »Was hat der denn bitte zu diesem Thema zu sagen?«
»Zu diesem Thema gar nichts. Er meldet, dass er eine Übereinstimmung hat.«
García Vidal erhob sich von seinem Platz und stellte sich hinter seine Assistentin, damit er besser sehen konnte. Berger trat daneben und las: »Freiherr Guntram von Michelsen zu Ahrenshoop.«
»Was ist denn ein Freiherr von Michelsen zu Ahrenshoop?«, Carmen brach sich bei diesem Namen fast die Zunge ab.
»Ein Freiherr ist im Spanischen ein Barón , Michelsen ist der Nachname, und Ahrenshoop ist ein Ort an der deutschen Ostseeküste.«
»Oje, schon wieder ein Adliger?« Carmen sah den Residente mit großen Augen an.
Berger nickte. »Davon gibt es in Deutschland eine ganze Menge.«
Der Comisario pfiff durch die Zähne. »Haben die auch alle so viel Geld wie Ihre Gräfin oder die Herzogin?«
»Wenn dem so wäre«, konterte Berger, »dann wäre Deutschland schon längst wieder eine Monarchie.«
Der Comisario schaute auf das Foto des Freiherrn zu Ahrenshoop. »Was meinen Sie, sieht der nach Geld aus?«
»Ahrenshoop liegt im Osten Deutschlands. Wenn die Familie Geld hat, dann hat sie es entweder nach der Wende gemacht oder das Wirtschaftswunder auf der Butterseite des Eisernen Vorhangs erlebt.«
»Der Mann ist Steuerberater, kommt aus Hamburg, ist sechsunddreißig Jahre alt und unverheiratet«, las Carmen vor und beendete so die Mutmaßungen. »Das sagt zumindest die Datenbank von Interpol. Wenn wir mehr Informationen haben wollen, müssen wir die deutschen Behörden um eine Fahndung bitten. Die können auf die Melderegister der Länder und Gemeinden zugreifen.«
»Und was sagt unsere Meldedatei?«
»Er ist vor vier Tagen in der Villa Sirena in Cala Figuera abgestiegen. Außerdem hat er seit seiner Ankunft einen Mietwagen von ›Autos Vima‹, einen schwarzen C3.«
García Vidal erhob sich. »Okay, dann werde ich mich mal auf den Weg nach Cala Figuera machen. Miguel, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mitkommen würden.«
»Moment«, rief Carmen, als die beiden schon aufbrechen wollten. »Hier kommt gerade eine Vermisstenmeldung rein.« Sie ließ den Cursor über den Bildschirm wandern. »Die Villa Sirena meldet einen überfälligen Gast. Gestern Morgen wurde er an der Rezeption zuletzt gesehen, und sein Zimmer blieb in der vergangenen Nacht unbenutzt.«
Berger lächelte grimmig. »Dann hat der Barón offensichtlich Tod inclusive gebucht.«
*
Tomeu war mit Esmeralda Fisch kaufen gegangen, sodass Angela Bischoff, die Gräfin und die Großherzogin unter sich waren und in Ruhe miteinander über Gott und die Welt ratschen konnten. Maria Antonia, die Wirtin der Bar Sa Plaça, brachte eine neue Runde Cortados.
»Señora Condesa, ich habe vorhin mit
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