Schnappschuss
Drogencocktail intus, den er sich bei einem Kadetten besorgt hatte. Dies in Verbindung mit dem Groll über den Rausschmiss hatte ihn endgültig aus der Bahn geworfen.
Doch der Coroner ging noch weiter. Er entnahm Challis’ Bericht, dass der Waffenmeister eine Browning Automatik aus der Waffenkammer benutzt hatte, und sprach sich dafür aus, eine Untersuchung darüber durchzuführen, wie diese trotz elektronischer Überwachungsmaßnahmen und der alle vierzehn Tage durchgeführten Inventur entwendet werden konnte, ob noch andere Waffen abhanden gekommen waren und wenn ja, wer sie hatte.
Das Verfahren wurde zügig abgewickelt, und am frühen Nachmittag verließ Challis das Gericht. Ein böiger Wind ging, Sonne und dunkle Wolkenberge wechselten sich ab. Er eilte zu seinem Wagen, kontrollierte sein Handy und sah, dass Superintendent McQuarrie angerufen hatte. Zweimal.
»Sir? Challis am Apparat.«
»Endlich. Hatten Sie Ihr Handy ausgeschaltet, Inspector?«
»Die Anhörung des Coroners in dieser Navy-Schießerei.«
»Und?«
»Mord mit anschließendem Selbstmord.«
Der Super unterbrach die einsetzende Stille mit der spitzen Bemerkung: »Wie ich gehört habe, sind Sie wieder bei meinem Sohn gewesen.«
»Sir.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Es gab noch ein paar offene Fragen«, antwortete Challis. Bestimmt hatte Robert seinem Vater nichts über den Besuch letzte Nacht gesagt. Die Schwägerin? Nein – höchstwahrscheinlich einer von McQuarries Spionen.
»Als da wären?«
Challis ging mit sich selbst zu Rate. Konnte er ernstlich annehmen, dass er dem Super die Fotos vorenthalten konnte? Er steckte in der Klemme: Er war verdammt, wenn er dem Super davon erzählte, und er war es auch, wenn er das nicht tat. »Es war zum einen ein Höflichkeitsbesuch, zum anderen sind wir noch einmal alles durchgegangen, um festzustellen, ob er sich noch an weitere Einzelheiten bezüglich seiner Frau erinnert.«
»Noch einmal? Wie wärs mal mit neuen Fragestellungen, Inspector?«
Wollte der Super damit andeuten, Challis sei beim ersten Mal nicht gründlich genug gewesen und verbringe seine Zeit damit, wichtige und einflussreiche Leute zu belästigen?
»Angesichts fehlender Spuren müssen wir erneut die Telefonunterlagen durchgehen«, erläuterte Challis, »die Korrespondenz lesen, nach Löchern und Ungereimtheiten in Zeugenaussagen suchen und mit möglicherweise noch auftauchenden neuen Zeugen reden.« Himmel .
McQuarrie schwieg. Dann sagte er: »Ich dachte, wir wären übereingekommen, dass es in diesem Fall um die falsche Person am falschen Ort zur falschen Zeit geht.«
Du bist übereingekommen, dachte Challis. »Es ist wichtig, auch weiterhin in alle Richtungen zu ermitteln, Sir.«
»Bohren Sie in dieser Angelegenheit mit der Frau im Zeugenschutz weiter.«
»Ja, Sir.«
Wieder schwiegen beide, und dann schien McQuarrie wie auf Eiern zu gehen: »Gibt es irgendetwas über Janine, das ich wissen sollte, Hal? Einen geheimen Liebhaber? Hat sie Gelder veruntreut? Ihre Klienten erpresst?«
Befürchtet McQuarrie nur das Schlimmste, fragte sich Challis, oder weiß er etwas, von dem wir nichts wissen? »Was immer es ist, wir werden es herausfinden«, versicherte er. Seinem Chef und der furchtsamen Öffentlichkeit gegenüber musste man solche Sätze sagen. Challis meinte zwar, was er da sagte, aber eigentlich wollte er damit nur McQuarrie zum Schweigen bringen. Er wollte endlich weitermachen, also brachte er das Telefonat bald zu Ende, ging zurück in sein Büro und zu einem Berg an Papierkram, der zum Großteil aus den Kosteneinsparungsmaßnahmen des Super erwuchs. Das Budget frisst Ressourcen, dachte Challis, der Papierkram frisst Zeit, und der Fachjargon frisst Einsichtsfähigkeit.
Als er genug davon hatte, machte er sich auf die Suche nach Ellen. »Hat Meg Ihnen etwas erzählt?«
»Ja und nein. Die beiden standen sich nicht sehr nahe, aber Meg hatte den Eindruck, dass Janine glücklicher wirkte als in den Wochen zuvor.«
Challis strich sich müde mit den Händen über die Wangen. »Eine Affäre? Mit jemandem aus der Swingerszene?«
Ellen zuckte mit den Schultern. »E-Mail, Telefonunterlagen, Post, nichts deutet auf einen Liebhaber hin. Janine hat sich niemandem anvertraut. Wenn es einen Liebhaber gibt, dann hat sie ihre Spuren gut verwischt. Soll ich weiterforschen?«
Challis schüttelte geistesabwesend den Kopf, ging wieder in sein Büro und stürzte sich erneut auf den Posteingang. Dann wollte er nach seinem Laptop
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