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Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)

Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)

Titel: Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Witzel
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scheren Sie sich nicht darum, sondern am besten heim!

Lektion 10. Bleiben Sie überhaupt nicht länger als nötig!
     
    Wenn Sie selbst oder Ihre Firma genug eingesackt haben oder das gesellschaftliche Leben unter Ihresgleichen im Exil keine weitere Anerkennung verspricht – zögern Sie auch im Interesse Ihrer Kinder nicht, das Experiment zu beenden. Das neue Staatsbürgerschaftsrecht, nach dem sich Einwanderer mit Volljährigkeit für eine Nationalität entscheiden können – die fremde oder die ihrer Eltern –, gilt hier nicht. Und wenn Sie wieder zu Hause sind: Seien Sie ehrlich, prahlen Sie nicht mit Überlebenstipps für den Dschungel, sondern warnen Sie Ihre Landsleute vor ähnlichen Fehlentscheidungen.

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»Das ist mehr, als die Welt zu seh’n.
Das Gefühl, aus sich rauszugeh’n.«
    Aus der Robinson-Club-Hymne
     

Das Robinson-Regime
     
    Westdeutsche pflegen viele seltsame Bräuche. Neben Faschings-Exzessen und dem größten Massenbesäufnis der Welt gehören auch so genannte Club-Reisen dazu. Eine Expedition.
     
    Ab und zu – wer will ihm das verübeln? – möchte auch der Westdeutsche mal ein anderer sein. Dann feiert er Junggesellenabschied im Puff, lässt in Lederhosen die Sau raus oder grölt mit einer Narrenkappe auf dem Kopf, was er sich sonst nicht traut. Je nach Region trinkt er dazu Bier aus viel zu kleinen oder großen Gläsern. Es darf geschunkelt werden und auch mal etwas derber zugehen, zotig gar oder politisch keck, sofern es sich halbwegs auf »Gartenzwerg« reimt. Vor allem aber geht es darum, möglichst schnell hackedicht zu sein, was hinterher als Entschuldigung für jede Art moralischer und ästhetischer Entgleisung gilt. Da nehmen sich Karnevals-Kanaillen und Oktoberfest-Vandalen wenig. Noch schlimmer – ich war also gewarnt – treiben sie es nur im Club-Urlaub, all inclusive.
    Um nicht lange rumzueiern, wie es trotzdem dazu kam, lasse ich das einfach weg. Vor Nachbarn rechtfertigte ich die kurzfristige Buchung damit, dass Nordkorea für eine Woche zu weit sei. Mir selbst redete ich es als Bildungsreise schön. Für Hobby-Ethnologen aus den kultivierten Bundesländern können solche Veranstaltungen  – wenn auch nicht immer eine Bereicherung – durchaus aufschlussreich sein. Nur zur Tarnung nahm ich meine Familie mit. Und nun, wie peinlich, kommen wir beinahe begeistert wieder heim.
    So einen Club, liebe Landsleute in den besetzten Gebieten, müsst Ihr Euch vorstellen wie ein Pionierferienlager für die ganze Familie. Als Urlaub von Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und allem, was die vorgebliche Freiheit sonst noch so anstrengend macht. Im Grunde die Fortsetzung der DDR bei schönem Wetter. Niemand muss dafür nach Kuba fliegen oder die Zeit zurückdrehen: Eine Woche Robinson auf Fuerteventura reicht völlig.
    An Bord des Billigfliegers, zwischen lauter aufdringlichen Familien aus Düsseldorf, merkt man das nicht gleich. Sie scheinen eigentlich First Class gebucht zu haben, meckern über dies und jenes, und als der Stewart eine Reihe vor uns zwei Kinder, die lediglich »Cola« verlangt haben, nach dem »Zauberwort« fragt, wissen die gar nicht, was er will: »Mit Eis?«, raten sie. »Coca, Pepsi, keine Ahnung …« Ihr Papa hilft ihnen – und dem frechen Stewart – auf die Sprünge. Sein Zauberwort heißt: »Aber plötzlich!«
    Erst am Band der Gepäckausgabe beginnt die Verwandlung. Auf einmal drängeln alle, als hätte Genscher eben vom Balkon der Prager Botschaft ihre Ausreise verkündet. Sie schleudern sich gegenseitig Hartschalenkoffer in die Weichteile, im Bus kommt es fast zu einer Schlägerei. Und als wir nach einer Stunde Fahrt durch die karge, kanarische Transit-Zone ein streng bewachtes Tor passieren, zucken auch wir unwillkürlich zusammen.
    Dahinter wimmelt es von Schergen in blauen Uniformen, die sofort mit der Gleichschaltung beginnen. Schon auf dem Weg zum Quartier grüßen uns mindestens zehn von ihnen derart überschwänglich, dass es Menschen mit Diktatur-Erfahrung wohlige Schauer über den Rücken treibt. Wie sie darauf achten, dass jeder

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