Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)
Zwei-Klassen-Gesellschaft und Fremdverwaltung heißt, kennen seitdem auch Deutsche nicht mehr nur aus der Täterperspektive. Dabei haben wir das Existenzrecht der alten Bundesrepublik nie in Frage gestellt, jedenfalls nicht laut. Leider!
Nun sind wir das Morgenland von Deutschland: Sandstürme toben sich hier aus, Missionare und allerhand abendländische Fundamentalisten. Anfang der neunziger Jahre haben sich nur ein paar Trottel von westdeutschen Nazi-Führern gegen Euch aufhetzen lassen. Inzwischen stellen wir die »ostdeutsche Unterschichten-Armee« praktisch allein. Afghanistan ist trotzdem nicht unser Krieg. Arbeitslose Dresdner haben dort so wenig verloren wie arbeitslose Afroamerikaner in Vietnam. Im Grunde verteidigen sie nur die westdeutschen Sozialsysteme »bis zur letzten Patrone« (Horst Seehofer), indem sie ihnen hier nicht zur Last fallen.
Deshalb können wir Euch neben der überfälligen Entschuldigung nur bitten: Lasst Euch nicht unterkriegen, sonst bricht im Westen alles zusammen. Nicht nur die Rüstungsindustrie. Lasst Euch vor allem nicht kaufen so wie wir – oder Eure Brüder und Schwestern hier! Denen geht es – wenn man das von Hassprediger zu Hassprediger mal so sagen darf – womöglich schon zu gut. Sie haben einen eigenen Zentralrat, eine eigene »Islam-Konferenz«. Wir dagegen trauen uns nicht mal, in der Schule nach einem Gebetsraum für unsere Kinder zu fragen. Seit der ersten Einheitsrede des schönsten Bundespräsidenten aller Zeiten habt Ihr es sogar mündlich: »Der Islam gehört zu Deutschland.« Wann hat ein westdeutscher Politiker zuletzt mit so viel Verve den Osten Deutschlands dazugezählt? Andererseits – wollen wir das? Wollt Ihr das wirklich? Ich weiß nicht, was »Schnauze, Wessi« auf Arabisch heißt – aber lasst ruhig mal dergleichen von Euch hören!
»Die über Nacht sich umgestellt,
die sich zu jedem Staat bekennen,
das sind die Praktiker der Welt,
man könnte sie auch Lumpen nennen.«
Wilhelm Busch
Wichteln mit der PDS (alias Die Linke, alias SED)
Noch schlimmer als Beifall von drüben sind grölende Altlasten von hier. Wieso denkt eigentlich jeder, man will unbedingt die DDR zurück, nur weil der Westen stinkt? Eine Distanzierung.
Seit der letzten Weihnachtsfeier mit Kollegen beschäftigt mich eine CD, auf der PDS-Politiker Liebesgedichte aufsagen. Gysi liest Goethe, Bisky auch irgendwas – ich habe das ehrlich gesagt nie zu Ende gehört. Trotzdem quält mich nun schon monatelang die Frage, womit ich dieses Julklappgeschenk verdient habe? So einen Dreck!
Wenn Journalisten wichteln, bleibt naturgemäß nie lange geheim, wer wessen Namen gezogen und sich mehr oder weniger Gedanken über ein Geschenk gemacht hat. Man kann das wegstecken wie alle Jahre wieder den Tchibo-Schlafanzug von Tante Agnes. Oder wie eine angeblich prüde Praktikantin die liebevoll verpackte Haushaltskerze. Bei dem Kollegen allerdings, dem ich das linkische Liebes-Gelispel verdanke, fällt mir das schwer: Er ist ein so gnadenlos begnadeter Schreiber, einer von Berlins Top-Journalisten, die mit Weitsicht, aber dafür ohne jede Hemmung oder gar Mandat die Geschicke unseres Landes mitzubestimmen glauben – für seine Verhältnisse, Herkunft und Aussehen dennoch geradezu bescheiden. So ein kluger Mensch – dachte ich bisher –, wieso schenkt der mir eine PDS-CD? Und selbst wenn er nur grobschlächtig mit dem Zaunpfahl zwinkern wollte wie der Kerzen-Flegel – wie kommt es zu so solchen Kurzschlüssen?
Noch nie habe ich diese Partei gewählt, weder als sie noch SED hieß, noch als PDS oder »Die Linke«. Sie kann sich jedes Jahr umbenennen, es wird immer die SED bleiben. Ob mit oder ohne Quoten-Wessis im Vorstand, in Koalitionen oder als Opposition, ob sie ihrer Geschichte nachtrauert oder sich halbherzig von einzelnen Mauerschützen distanziert. Niemals! Das wollte ich auch deshalb gern mal klarstellen, weil ich hier gelegentlich von der völlig falschen Seite Beifall bekomme. Schlimm genug.
Weinerliche SED-Rentner wissen es nicht besser. Hauptamtliche Besserwisser wie der Kollege tun zumindest so. Sie mäkeln zwar auch hin und wieder ein wenig an der vereinigten Gegenwart herum, aber sind gleichzeitig tiefer in ihre eigene Vergangenheit verstrickt als jeder abgewickelte Ost-Funktionär. Dass diese Stricke auch mal alle reißen können, ist die entscheidende Erfahrung, die ihnen fehlt. Nur so erklären sich ihre unbeholfenen Kommentare nach ostdeutschen Wahlen.
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