Schneckle im Elchtest
Nichtraucher muss man keine Sportskanone sein. Wenigstens in der Beziehung passten wir einwandfrei zusammen.
Viel Zeit, um über diese wunderbare Harmonie nachzudenken, hatte ich allerdings nicht. Stattdessen starrte ich ungläubig in den so genannten »Garten«, der sich hinter der Betonmauer vor mir ausbreitete. So sah es auf den Mittelstreifen südeuropäischer Landstraßen und Autobahnen gerne aus: verbrannte Erde, übersät mit Müll, rostigen Eisenteilen und sonstigem Unrat.
»Sehr apart«, urteilte ich. »Gut, dass Elke keine Gärtnerin geworden ist.«
»Du darfst nicht von deiner spießigen Verwandtschaft auf den Rest der Welt schließen«, eröffnete mir Steve. »Elke legt eben mehr Wert auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Gartenpflege ist nichts für große Geister.«
»Aha«, erwiderte ich sarkastisch. »Wieso haben dann alle großen Geister immer wieder betont, wie wichtig für ihre Kreativität die Pflege ihres Gartens sei? Kerle wie Hemingway, Hesse, Goethe ... Und dann gibt es ja auch noch dieses wunderbare chinesische Sprichwort: ›Willst du für eine Stunde glücklich sein, so betrinke dich. Willst du für drei Tage glücklich sein, so heirate. Willst du für acht Tage glücklich sein, so schlachte ein Schwein und gib ein Festessen. Willst du aber ein Leben lang glücklich sein, so schaffe dir einen Garten an.‹«
Moment – wie war das mit den drei Tagen glücklicher Ehe gewesen? Ein Schwein machte länger glücklich als eine Ehe? Hoffentlich lagen die Chinesen falsch.
Steve unterbrach mein Grübeln und verdrehte die Augen. »Willst du hier klugscheißen und festwachsen? Oder kommst du mit? Ich muss aufs Klo-ho – und hätte anschließend gerne etwas zu trinken.«
»Ja, ja, ich auch«, sagte ich einlenkend, auch wenn ich natürlich trotzdem recht hatte.
Zum Glück mussten wir noch nicht einmal springen, sondern konnten über einen kaputten Kühlschrank recht komfortabel auf den Autobahnmittelstreifen klettern.
Steve führte mich ums Haus herum und erzählte: »Wie oft haben wir hier früher im Hinterhof gesessen und gefeiert. Manchmal sind meine Schwester und ihre Familie und sogar Hartmut und Martha aus Frankfurt gekommen. Das war ein Spaß.«
Ich schaute ihn nachdenklich an. »Du hast ja schon einmal gesagt, dass sich dein Vater noch so gut mit allen seinen Exfrauen versteht. Aber dass sich die untereinander auch noch toll finden, übersteigt meinen Horizont. So etwas gibt’s doch im echten Leben gar nicht.«
»Vielleicht nicht in Stuttgart«, erklärte Steve hochnäsig. »In eurer kleinen Welt ist ein zeitgemäßer Lebensstil einfach noch nicht angekommen. Wahrscheinlich dauert das noch ein paar Jahrzehnte.«
So ein A...! Wollte ich den wirklich heiraten? Oder doch ein Schwein schlachten?
Bevor ich wütend werden konnte, stand plötzlich ein kleiner, dicker Mann mit Halbglatze vor uns, der uns mit einem Didgeridoo bedrohte.
»Keinen Schritt weiter«, fistelte er. »Ich habe vom Toilettenfenster aus gesehen, wie Sie hier eingebrochen sind. Die Polizei habe ich bereits benachrichtigt. Sie müsste jeden Moment hier sein.«
Na toll. Hier stand Silkes Traummann vor uns, wedelte mit einem Musikinstrument herum und faselte etwas von Polizei.
»Kennst du den Spinner?«, wollte ich von meinem Verlobten wissen.
Doch Steve schüttelte den Kopf. Ihm hatte es die Sprache verschlagen.
»Hören Sie«, versuchte ich die Lage etwas zu entschärfen, bevor das Kerlchen auch noch anfing, auf dieser Tröte rumzublöken. »Wir sind mit Elke verabredet. Sie ist aber gerade nicht zuhause. Deshalb wollten wir den Hintereingang nehmen. Wir sind Verwandte, aus Stuttgart. Das hier ...«, ich zerrte Steve hinter meinem Rücken vor, »... ist Steve! Der Sohn von Elkes Exmann. Er ist also so etwas wie Elkes Stiefsohn. Und er ist extra siebenhundert Kilometer weit gefahren, um sie zu besuchen. Also nehmen Sie bitte dieses Ding da runter, beruhigen Sie sich und telefonieren Sie der Polizei ab!«
Zum Glück nahm der kleine Dicke tatsächlich das Didgeridoo herunter.
Er fistelte panisch: »Ich weiß natürlich, dass Stuttgart ungefähr siebenhundert Kilometer weit weg ist. Aber wieso fahren Sie den weiten Weg, um dann in meinen Garten einzubrechen? Ich kenne keine Elke! Das sind doch alles Märchengeschichten, um mich hinzuhalten. Kommt da etwa noch jemand, der mich ausrauben soll?« Er stand kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
»Kann es sein, dass du den falschen Hintereingang genommen hast?«,
Weitere Kostenlose Bücher