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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ruehle
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Nichten können bis dahin Schwedisch lernen und Ediths Mann, Udo, ist sowieso immer auf Reisen. Ich verstehe gar nicht, wieso sie das noch nicht schon längst gemacht haben.« Er schüttelte den Kopf.
    »Na, vielleicht, weil es doch
etwas
einsam hier ist?«, wollte ich wissen. »Gerade für Teenager ...«
    »Nein, nein, das siehst du falsch«, klärte Steve mich auf. »Sie haben ein Telefon und mit dem Auto ist man schon in zwanzig Minuten in der nächsten kleinen Ortschaft.«
    »Ach so. Nur zwanzig Minuten. Dann ist das für die Mädels sicher in Ordnung. Und sie haben sogar ein Telefon! Ist ja irre. Dann können sie natürlich in die Einöde ziehen. So ein Telefon ändert schließlich alles.«
    Wieder ignorierte Steve meine Frotzelei. »Außerdem würde ständig mindestens einer aus unserer Familie bei Edith sein, um kostenlos Urlaub im schönsten Land der Welt zu machen.«
    »Na, dann ist mir klar, warum sie wenigstens bisher nicht hierhergezogen ist. Was nützt die schönste Einöde, wenn einem dort ständig die Familie auf die Pelle rückt? Und als Ablenkung gibt’s nur das Telefon und ein paar Schweden, die so viel Deutsch verstehen wie Klingonen«, meinte ich.
    Zum Glück war Steve abgelenkt und rief aufgeregt: »Jetzt sind wir gleich da, schau, da vorne, das ist es!«
    »Was ist es?«, fragte ich verständnislos.
    Ich sah nur ein schnurgerades Stück Straße, an dem auf der rechten Seite ein großer, uralter, mit kaputten grauen Eternitplatten verschalter Kasten stand. Unglaublich: Mitten in die schönste Landschaft und direkt an die Straße etwas so unglaublich Hässliches zu stellen! Das war sicher ein Überbleibsel aus irgendeinem Krieg. Ein Bunker. Oder ein ehemaliges Gefängnis.
    »Oh, wie schade!«, seufzte ich. »Die arme Edith, das ist ja schrecklich! Du hast doch gesagt, dass weit und breit kein anderes Haus steht. Natürlich kann man den abbruchreifen Kasten da vorne nicht direkt ein Haus nennen. Aber es ist ja doch so was wie ein Gebäude. War es jedenfalls. Oh je! Und ihr Armen habt diesen Schandfleck direkt in der Nachbarschaft. Könnt ihr den nicht kaufen und abreißen? Das dürfte doch nicht allzu teuer sein, so wie das aussieht. Einmal Brummbrumm mit dem Bagger und ihr habt die Aussicht auf eine Aussicht. Außerdem wertet das euren Besitz sicher unglaublich auf!«
    Auffordernd blickte ich Steve an.
    Der hatte inzwischen die Lippen ziemlich fest aufeinandergepresst und zischte: »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du deinen merkwürdigen Humor für eine Weile stecken lassen könntest. Wir sind nämlich da. Und der Schandfleck, den du abreißen lassen willst, ist Ediths Ferienhaus, in dem wir unseren Urlaub verbringen werden. Also bitte: Beherrsch dich!«
    Gulp. Oh. Mein. Gott.
    In der Tat würde ich jedes Fitzelchen Beherrschung, das ich irgendwo in meinem Hirn ausgraben konnte, dringend benötigen. Der Kasten sah aus wie ein völlig krankes Stephen King’sches Hirngespinst. Die perfekte Kulisse für einen Horrorschocker, inklusive quietschenden Türen, wilden Tieren und massenhaft mumifizierten Leichen auf dem Dachboden.
    »Contenance, Contenance«, flüsterte ich vor mich hin, während Steve sein Taxi der Einfachheit halber direkt auf der wild wuchernden Wiese neben der Baracke abstellte. Während er noch ruckelnd über ein paar Schlaglöcher rollte, starrte ich fassungslos auf den maroden Kasten. Aus der Nähe sah er noch schlimmer aus. Irgendwie konnte ich mir einen heiteren Liebesurlaub in diesem Gemäuer nur schwer vorstellen. Sogar die Räuber aus den Bremer Stadtmusikanten hätten einen großen Bogen drum herumgemacht. Ich seufzte.
    Steve hatte die Autotür aufgerissen und rannte ins Freie. Naja. Das Wichtigste war ja schließlich ohnehin das Kennenlernen seiner Familie. Alles andere waren nur Äußerlichkeiten. Dort drüben würde ich gleich mit offenen Armen von zahlreichen illustren Persönlichkeiten empfangen werden. Ich schaute noch schnell in den Rückspiegel, damit mir keine Essensreste zwischen den Zähnen hingen, wenn ich in ein paar Sekunden meine Karrieresprungbretter kennen lernte.
    Ich atmete einmal tief durch, schluckte, schüttelte mich und öffnete die Beifahrertür, um Steve hinterherzustolpern, der bereits hinter das Haus trabte. Ich lief ihm nach und sah mich schließlich einem guten Dutzend Leute gegenüber, die mitten in der ungemähten Wiese an einem langen, wackeligen Tisch saßen und neugierig die Hälse reckten.
    Zwei Frauen und ein Mann waren aufgestanden und

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