Schneckle im Elchtest
offenen Armen aufgenommen. Elke hat uns umsonst bei sich übernachten lassen. Hier wohnst du umsonst, bekommst dein komplettes Essen zubereitet und aufgetischt. Mein Vater vergöttert dich ... Weißt du was? Ich denke, du bist einfach zu verwöhnt.«
»Ich bin – hick ...« Fassungslos starrte ich ihn an. »Wer heult – hick – hier? Deine Familie oder ich – hick?«
»Das ist doch keine Antwort. Hör mal, Sabine-Maus, wir sind gerade erst angekommen. Bis zu Ediths Geburtstagsfeier sind es noch acht Tage. Jetzt komm einfach mal runter von deinem Ego-Trip und gib meiner Familie eine Chance! Das sind großartige Menschen, weißt du? Selbstlos, mitfühlend, großherzig und großzügig, gastfreundlich, humorvoll ...«
»Und Dieter Bohlen meint es ja auch immer nur gut ...«, schoss es mir durch den Kopf. Während Steve die ganzen Adjektive herunterleierte, deren Bedeutung garantiert kein einziger Labskaus jemals erfassen würde, wurde mir immer klarer: Von ihm durfte ich eins garantiert nicht erwarten: Solidarität. Er blühte in Gegenwart dieser verlogenen Gesellschaft auf wie ein Veilchen. Während ich einging wie eine Primel. Da hatten wir ein florales Problem. Und zwar eins, das wir hier und jetzt im Badezimmer garantiert nicht lösen würden. Ich musste mir wohl oder übel eine Taktik zurechtlegen, um ihn aus dieser »Achse des Bösen« herauszupulen. Und mich gleich dazu.
Nun war erst einmal Schadensbegrenzung angesagt. Und dieses muffige, nach Schimmel stinkende Mini-Bad war wohl nicht der optimale Rahmen für ein ernsthaftes Gespräch, bei dem ich Steve auch mal wegen seiner eigenen Lügereien auf den Zahn fühlen konnte.
Ich hickste Steve deshalb freundlich an: »Schon gut – hick. Sicher gab es nur ein-hick-e Missverständnisse. Es ist wohl – hick – auch ein kulturelles Prob-hick-lem. Wir Schwaben t-hick-en eben ganz anders als ihr Fi-hick-köpfe.«
»Das wird es sein. Ein kulturelles Missverständnis!« Steve atmete auf, sehr erleichtert darüber, das Problem vom Tisch zu haben. »Können wir dann wieder runtergehen? Die haben mit dem nächsten Spiel bestimmt schon angefangen.« Er drückte mir einen extrafeuchten Schmatz auf die Wange, strahlte mich an wie ein Honigkuchenpferd und hüpfte pfeifend die Treppe runter.
Ich konnte nur den Kopf schütteln. Es war doch immer wieder unglaublich, wie schnell sich Männer aus der Affäre ziehen und selbige gleich wieder vergessen konnten. Aber es half ja alles nichts: Ich musste da raus und den Stier im Alleingang an den Hörnern packen. Naja, fast im Alleingang.
Nachdem ich mir ein paar Handvoll Wasser ins Gesicht geworfen hatte, brachte ich schon wieder ein schiefes, kleines Lächeln zustande. Und als ich aus dem Badezimmer lief, war ich bereits eifrig dabei, einen Schlachtplan für den Umgang mit den vielen Kanaillen zu entwerfen.
Leider hatte sich da gerade eine davon auf leisen Sohlen von hinten angeschlichen: Martina, die Taube, krallte sich in meinen Arm und erschreckte mich dabei so, dass ich wenigstens meinen Schluckauf auf einen Schlag los war.
»So, junge Dame, jetzt erkläre mir doch bitte noch einmal, warum du nicht Schandtall heißt, ob deine Haarfarbe echt ist und warum du Steve heiraten willst.«
Sämtliche guten Vorsätze schmolzen sogar noch schneller dahin als die Polkappen.
»Bin ich das Orakel von Delphi, oder was?«, war das Einzige, was mir daraufhin einfiel.
Martina schüttelte irritiert den Kopf: »Wie bitte? Ich glaube, ich brauche ein Hörgerät, ich verstehe die ganze Zeit sehr merkwürdige Dinge. Etwas von Delphinen. Wir sind doch hier in Schweden, da gibt’s doch nur Stechmücken. Was kann man denn dagegen tun?«
»Nichts kann man da tun. Gar nichts. Man kann höchstens Unmengen Knoblauch essen. Danach wollen die Viecher nichts mehr von einem wissen.«
Martinas Augen blitzten interessiert auf. »Knoblauch? Das hilft gegen Stechmücken? Könntest du mir vielleicht welchen holen? Danach kannst du mir ja immer noch erklären, warum du jetzt nicht mehr Schandtall heißt und was mit deinen Haaren passiert ist. Ist das eine Krankheit?«
Wortlos schleppte ich sie hinter mir her in die Küche und setzte sie auf einen Stuhl. Dann schnappte ich mir einen Laib Brot, säbelte eine Scheibe herunter, suchte nach Knoblauch und fand ihn auch, hackte gleich drei Zehen klein und streute sie auf das Brot. Das Ganze gab ich Martina zu essen und überwachte jeden Bissen. Nun war sie die Stechmücken für die nächsten vierundzwanzig
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