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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ruehle
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Schatz?«, wollte ich wissen. »Und Freunde? Da drinnen heißt es, du hättest nur Psychologie studiert, um dich selber zu therapieren. Dass du so an deinen Eltern hängst, passt dagegen wieder: Es heißt, dass du noch bei ihnen wohnst. Freunde sollst du dagegen wiederum keine haben, weil du viel zu verschroben bist. Deshalb hättest du dir auch die Rastazöpfe verpasst. Als Protest gegen das Establishment, das dir die private Erfüllung versagt.« Theatralisch verdrehte ich die Augen und schüttelte, Hartmuts Beispiel folgend, die Arme gen Himmel.
    Kerstin lachte sich kringelig.
    Während sie sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte, erklärte sie: »Schön, dass sie sich so viele Gedanken über mein Seelenheil machen. Aber zum Glück geht es mir privat ganz hervorragend. Ich habe nur letztes Jahr eine blöde Wette verloren. Ich wette nämlich leidenschaftlich gern, musst du wissen. Bei der besagten Wette war ich mir meiner Sache so sicher, dass ich gewettet habe, dass ich ein ganzes Jahr lang mit Rastazöpfen herumlaufen würde, sollte ich verlieren. Nun dauert es noch drei Wochen, dann bin ich die Dinger endlich los. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie nervig, stinkig und kratzig dieses ganze Gebaumel ist.« Demonstrativ kratzte sie sich einmal quer um den Kopf. Dann fuhr sie fort: »Was die Psychologie angeht: Ich finde sie sehr spannend. Allerdings in erster Linie auf andere angewandt. Ich bin ein recht schlichtes Gemüt, dessen Analyse sich kaum lohnen würde.« Sie grinste diabolisch.
    »Da würde ich jede Wette darauf eingehen ...«, bestätigte ich ebenfalls grinsend.
    »In Sachen Wohnung kann ich dir sagen, dass ich mit neunzehn von zuhause ausgezogen und zum Studium nach Heidelberg gegangen bin. Danach habe ich ein paar Jahre in der Behinderteneinrichtung Stetten gearbeitet. Vor ein paar Wochen bin ich dann wegen der Promotion im Bereich frühkindliche Gehirnentwicklung wieder zu meiner Süßen nach Heidelberg gezogen. Die kann ich da leider nicht wegbewegen.«
    »Ähm. Frühkindliche ... aha. Und deine Süße? Hast du eine Katze ein paar Jahre lang alleine in Heidelberg gelassen?«, wollte ich noch wissen.
    »Frühkindliche Gehirnentwicklung. Und meine Süße heißt Jutta, ist zweiundvierzig und Grundschullehrerin. Ich bin eine Lesbe. Zufrieden jetzt? Hat sich wenigstens eins deiner Klischees über rastazöpfige Psychologinnen bestätigt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nö. Ich dachte, Psychologen wären viel zu verklemmt, um schwul oder lesbisch zu leben. Macht aber nix. Wenn’s dir hilft, nehme ich das gerne in mein Repertoire an Klischees auf. Da steht es dann gut neben dem Klischee, dass alle Germanistikprofessoren schwul sind. Das dürfte vor allem auch deinen Vater interessieren. Der wusste vielleicht von seinem Glück noch gar nichts.«
    »Geschenkt!«, gab Kerstin zurück.
    Wir lächelten uns versöhnlich an und mampften uns weiter durch Törtchen und Süßigkeiten.
    »Jetzt musst du mir aber schon noch erklären, warum du mich unbedingt in deine Mausebutze locken wolltest. Bin ich auch ein Forschungsobjekt? Oder was sonst?« Ich nahm einen extragroßen Bissen Törtchen.
    »Na ja«, erklärte sie. »Ich dachte, du könntest jemanden brauchen, der dir hilft, die Situation hier in den Griff zu kriegen. Das Ganze würde sogar Wonder Woman, Alice Schwarzer und Angela Merkel in Personalunion überfordern. Von einem ganz normalen Menschen mal abgesehen – meine Eltern eingeschlossen. Deshalb bin ich ja zur Unterstützung da. Und du hast, wenn ich es mal vorsichtig formulieren darf, keine so deutlich erkennbare Rückendeckung ...«
    Ich schnaubte und winkte ab. »Sag’s ruhig: Steve ist eine Flasche und lässt mich hängen.«
    Kerstin machte eine abwehrende Geste: »Das hast jetzt du gesagt, auch wenn ich dir darin gar nicht widersprechen will. Aber fest steht, dass er jede Menge Fans hier hat, um es vorsichtig zu formulieren. Du hingegen trittst in die Fußstapfen einer Dame, die in dieser Familie als eine Art Messias gehandelt wird. Das macht dich nicht sehr, äh, beliebt.«
    »Ach, das habe ich noch gar nicht bemerkt«, ätzte ich dazwischen.
    Kerstin ließ sich nicht beirren. »Ich wollte dir auf jeden Fall ein offenes Ohr anbieten, wenn sie es mal wieder allzu schlimm getrieben haben. Vielleicht können wir gemeinsam verhindern, dass du irgendwann Amok läufst oder sonst was in die Richtung – und es hinterher bereust.«
    »Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass ich, ganz egal

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