Schneckle im Elchtest
lascher Lippe mit Dönergeschmack. Wieso schrieb mir der Kerl jetzt?
Misstrauisch öffnete ich die Nachricht und traute meinen Augen kaum: »Hallo Schneckle, toller Abgang neulich. Falls du mit deinem Neuzugang nicht allzu beschäftigt bist, melde dich doch kurz bei mir: Die holde Damenwelt in meiner nächsten Umgebung schwächelt gewaltig beziehungsweise ist aus Versehen ein bisschen schwanger. Und, was soll ich sagen, mein Chefredakteur sucht händeringend neue Schreiberlinge. Da sind du und deine spitze Feder mir eingefallen. Für uns wärst du hier ein Glücksfall: Schließlich weiß jeder, dass du als überzeugte Kinderhasserin ganz sicher niemals schwanger werden wirst und zudem dem Boten endlich den Rücken gekehrt hast. Aber keiner weiß, wo du dich im Moment herumtreibst ... Also, honey, falls du zu neuen – vielleicht nicht nur beruflichen? – Schandtaten bereit bist, weißt du, wo du mich findest. Grüßle, Jochen.«
Da saß ich nun mit dümmlich geöffnetem Mund und konnte es einfach nicht fassen: Jahrelang war ich der seriösen Presse hinterhergerannt, hatte mich x-fach beworben und war ebenso x-fach abgeschmettert worden – und jetzt das!
»Jau!« Ich jagte einen donnernden Jubelschrei durchs Büro und schrieb postwendend so schnell und viel zurück an Jochen, dass die Tastatur qualmte.
Natürlich wollte ich den Job. Das war
die
Chance, auf die ich seit Ewigkeiten gewartet hatte. Nachdem ich auf »Senden« gedrückt hatte und die Mail davongeflattert war, fiel mir allerdings Jochens doppelter Boden ein: War sein Angebot nun direkt oder indirekt an ein Wiederaufleben unserer unterbrochenen »Beziehung« geknüpft?
Ich dachte an Volker. Dem wäre das Wiederandocken an Jochen sicher nicht recht.
Plötzlich und schlagartig unternahm mein Magen eine Achterbahnfahrt. Mir wurde speiübel. Das durfte doch nicht wahr sein!
Also rief ich bei meinem Hausarzt an. »Hallo? Schneck hier. Ich hätte gerne einen Termin zum Komplett-Check. In letzter Zeit ist mir ständig schwindelig und schlecht ... Nein, ich bin ganz sicher
nicht
schwanger ...« Ich zeigte dem Telefonhörer ein Vögelchen und machte mit der Stimme am anderen Ende einen Termin aus.
Da mir mein langweiliger Job – den ich, wenn alles gut lief, noch diese Woche an den Nagel hängen würde – jede Menge Freiraum für private Gedanken ließ, grübelte ich ein wenig über die Ereignisse der letzten Tage nach. Ob die vielen Symptome irgendwie mit Volker zusammenhingen? Immerhin waren sie erst ab dem Zeitpunkt aufgetreten, seit er bei mir auf der Bildfläche erschienen war. Ob er eine ansteckende Krankheit hatte? Schnell verwarf ich den Gedanken wieder. Der Kerl platzte fast vor Gesundheit und schleswig-holsteinischer Bauernfrische. Ich grinste leise vor mich hin.
»Na, Schneckle, freuschd du dich über a gute Idee für des neue Schbarkassen-Mailing?«, fragte mich mein Ossi-Chef, der sich unbemerkt von hinten angeschlichen hatte und mal wieder eine Kostprobe seines letzten Schwäbisch-Kurses für Reigschmeckte gab.
Es war entsetzlich. Nichts war schlimmer als Nichtschwaben, die sich auf Pseudoschwäbisch anbiederten. Aber es half ja alles nichts – der Kerl war nach wie vor mein Chef. Und wollte doch so gerne in hiesiger Mundart kommunizieren.
»Ja, a subrgude«, gab ich deshalb zurück. »Ligd en schbädeschdens ra halba Schdond uff deim Disch.«
»Bravo«, sagte er erfreut, klopfte auf meinen Schreibtisch und verschwand.
Seufzend ratterte ich das lästige 08/15-Anschreiben herunter, druckte es aus und klatschte es ihm auf den Tisch, damit ich weiter über Volker nachdenken konnte. Silke und Nina hatten völlig Recht: Es war höchste Zeit, ihn wieder zurück zu seinem Marzipan zu schicken. Erst einmal musste ich das Steve-Fiasko sacken lassen. Leider hatte ich Volker bisher noch gar nicht gefragt, wie lange er bleiben wollte. Hoffentlich nicht allzu lange. Schließlich musste ich ja auch noch meine Bekanntschaft mit Jochen, dem Jobwunder, erneuern. Es war doch erfreulich, dass ein Mann immerhin einmal in meinem Leben zu irgendetwas gut sein sollte.
Schon wieder wurde mir ganz schwummerig.
Ängstlich startete ich den nächsten Anruf: »Silke? Du musst mir helfen. Mir ist ständig schwindelig und schlecht. Meine Beine scheinen aus Pudding zu sein und denken kann ich auch nicht mehr. Außerdem kann ich kaum noch etwas essen, schlafen tu ich auch kaum noch ...Was könnte das denn sein? Ich habe schon einen Termin bei meinem Hausarzt
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