Schneckle im Elchtest
wieder nicht wirklich weiter. Wenn das so weiterlief und ich den Jochen-Job nicht bekam, war ich in Zukunft auf die Mildtätigkeit meiner spanischen Nachbarn angewiesen – auch wenn ich dafür den einen oder anderen männlichen Bewunderer abschreiben konnte. Vielleicht sollte ich es dann eine Etage tiefer versuchen. Dort lebte eine sehr nette türkische Familie, die mich auch hin und wieder mit Essen versorgte.
Zäh schleppte sich der Tag dahin. Ich war absolut unfähig, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Schließlich war auch nicht zu fassen, dass ich mich anscheinend tatsächlich verliebt hatte. In diesen elenden Fremdgucker, auf den ich heute Morgen nach wie vor so sauer war, dass ich kein einziges Wort mit ihm gewechselt hatte. Dafür rief ich Nina an und bat sie dringend um die Gnade einer Audienz.
»Ich habe von Silke schon gehört, dass es dich erwischt hat. Also wirklich, Sabine, von dir hätte ich mehr erwartet. Nicht viel mehr. Aber immerhin …«
»Könnt ihr mal aufhören, alle auf mir herumzuhacken«, empörte ich mich. »Ich habe mir diesen Menschen nicht ausgesucht. Ich konnte mich entweder von ihm retten oder von einem tollwütigen Elch auffressen lassen. Das ist keine faire Alternative.«
»Ich schaue mir das Elend an. So gegen acht. Bei Fabrizio«, erklärte Nina. »Und Silke bringe ich auch mit.«
»Gut, je mehr Verstärkung, desto besser«, erklärte ich zufrieden.
Dann rief ich Volker an. »Guten Morgen.«
»Mpf«, gab er zurück.
Madame war beleidigt. Das konnte ich auch!
»Ich habe zwar keine Ahnung, wie lange du mich mit deiner Anwesenheit noch beehren möchtest, aber wenn du wider Erwarten noch bis heute Abend in Stuttgart bist, kannst du gerne mit Nina und Silke und mir bei unserem Stammitaliener essen.«
»Mpf.«
»Übersetz mal: Heißt das ja oder nein?«
»Ja.«
»Wunderbar. Treffen wir uns dort oder bei mir?«
»Dort.«
»Schön. Bei Fabrizio auf der Calwer Straße. Um acht. Du kannst ruhig weiter einsilbig bleiben. Wir reden dafür umso mehr.«
»Mpf.«
»Du mi au.« Ich legte auf.
Höchste Zeit, dass in diesem Kuddelmuddel jemand durchblickte. Volker selber schien nun ebenfalls den Überblick verloren zu haben. Zum Glück hatten wir Nina und ihren messerscharfen Verstand.
»Du spinnst doch. Kein normaler Mensch macht so was«, hörte ich Silke schon lautstark an der Eingangstür schimpfen.
Ihr gegenüber saß mit verschränkten Armen eine wieder mal sehr indigniert wirkende Nina.
»Na, die Damen, wer spinnt denn heute?«, fragte ich und begrüßküsste zuerst Silke, dann die beleidigte Leberwurst.
Dann reichte ich dem wie immer sehr devoten Paolo meine Jacke und setzte mich zwischen die Kampfhähne.
»Die spinnt«, schimpfte Silke und zeigte unfein auf Nina. »Los, sag – oder besser zeig, was du getan hast.«
»Man könnte gerade meinen, ich hätte mir ›Horschd‹ auf den Nacken tätowieren lassen«, schimpfte Nina zurück.
»Moment, was war das denn?«, fragte ich erstaunt. »Nina, mach mal aaa!«
»Nichts da. Ihr versteht das sowieso nicht!« Sie schüttelte energisch den Kopf.
»Aha. Und wer sonst, bitte?«, fragte Silke.
Nina seufzte nur.
Ich ebenfalls. »Du hattest ein Bleaching«, stellte ich fest. »Willst du in nächster Zukunft in einer drittklassigen amerikanischen Sitcom mitspielen oder Zahnpastawerbung machen?«
»Was ich mit meinem Körper mache, ist ja wohl meine Sache«, giftete Nina und setzte noch einen drauf: »Thomas gefällt es.«
Silke und ich schnauften unisono.
»Was soll er denn auch sagen, dein Nackthund?«, fragte ich wegwerfend. »Er weiß doch ganz genau, dass das erste Widerwort seinerseits seinen Tod bedeutet. Wenn er Glück hat, nimmst du ihm vielleicht auch nur das Deckchen weg, mit dem du ihn im Winter immer ausführst … Jetzt mal im Ernst: Was soll der Scheiß?«
Nina verdrehte die Augen. »Ihr blöden Hinterwäldler. Weiße Zähne sind ein Statussymbol. Sie stehen für Gesundheit, Erfolg, Attraktivität …«
»Kaputten Zahnschmelz, entzündetes Zahnfleisch, geschädigte Zahnnerven«, schaltete sich Silke ein.
»Kannst du nicht vergessen, dass du irgendwann mal Zahnärztin werden wolltest?«, schimpfte Nina.
Silke verschränkte die Arme und schüttelte böse den Kopf.
»Moin«, tönte es in diesem Moment in ihrem Rücken.
»Ah, der nachtragende Fremdgucker«, entfuhr es mir. »Nimm doch bitte Platz. Wäre es hier genehm?« Ich wies auf den Platz mir gegenüber. »Von da aus hast du eine sehr gute
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