Schnee an der Riviera
hat mir eine Menge Bockmist erzählt. Habib war dort. Ich war total eifersüchtig.«
Eine kurze Pause. Seine grauen Augen verengten sich bei der Erinnerung zu Schlitzen.
»Wir haben ziemlich oft gestritten, uns gegenseitig beschuldigt, dann aber wieder versöhnt. Ich wollte sie nicht noch einmal verlieren.«
Ein Seufzer. Warum musste die Jugendliebe, oder besser gesagt, die Liebe, egal, in welchem Alter, immer so schwierig, kompliziert und bitter sein? Warum war das Glück so kurzlebig und der Kummer schon programmiert? Nelly fühlte einen bedrückenden Schmerz in der Brust, sie war wehrlos gegenüber diesem unumgänglichen, immer gleichen Leid. Sie konnte ihrem Sohn nicht helfen, konnte ihm das Glück nicht schenken. Und seinen Schmerz nicht lindern.
»Aber einmal bin ich stinksauer geworden, weil ich Wirklichkeit und Lügen nicht mehr auseinanderhalten konnte, wie vor ein paar Jahren. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht noch einmal so leiden will wie damals, dass es mir dann lieber wäre, wenn Schluss wäre. Da hat sie mir eine Geschichte erzählt.«
Es war offensichtlich, dass Mau das Weiterreden schwerfiel. Nelly sagte nichts, sondern wartete, bis er so weit war, fortzufahren.
»Eine total beschissene Geschichte. Sie hat gesagt, dass ihr Vater ihre Mutter seit Jahren betrügt, mit Miriams Mutter. Dass sie die beiden in der Villa Caterina im Bett erwischt hat. Dass er sie gebeten hat, um der Familie willen, den Mund zu halten, und ihr hoch und heilig versprochen hat, Gudrun Fallari zu verlassen, er schwor, es sei bloß eine bedeutungslose Affäre, aber das stimmte nicht. Sie trafen sich weiterhin, und Moni wusste es. Das machte sie nervös, misstrauisch, hat sie verändert. Sie hatte Panikattacken, die ganze Welt schien ihr aus Lügen und Verrat zu bestehen. Sie ist gar nicht so abgebrüht, wie sie immer tut. Tief im Innern ist Moni ein zerbrechliches Mädchen.«
Die Vorstellung einer zerbrechlichen Monica war Nelly zwar vollkommen neu, doch sie biss sich auf die Lippen, um nichts zu sagen.
»Seitdem rauchte sie häufig Shit, und dann hat dieser Mistkerl Habib ihr Kokain angeboten, und sie nahm es ab und zu. Dafür hielt sie ihn sich warm. Für sonst nichts. Auch Habib sniffte, aber volle Kanne. Und er hatte was mit einem von diesen zwei Typen von seiner Arbeit, Nino, glaube ich. Der hatte auch nichts als Probleme, letztlich eine arme Sau. Die Drogen wurden im Anatra azzurra vertickt. Also habe ich mich da mal ein wenig umgesehen, erstens aus eigenem Interesse und dann um ihr zu helfen, aus der Scheiße wieder herauszukommen. Irgendwie habe ich auch Franci mit reingezogen, ich Volltrottel. Ich wollte noch mehr herausfinden und habe sie gnadenlos ausgequetscht, in ihren Sachen gewühlt, sobald ich Gelegenheit dazu hatte. Franci half mir. Er war ja immer so eine Art Don Quichotte, das weißt du, er hatte Mitleid mit allen und jedem. Ich glaube, er würde sogar seinem Mörder vergeben, so religiös war er. Aber sie sagte nie die ganze Wahrheit, wich mir aus. Du ... kennst sie ja.«
»Mau ...«, Nellys Stimme hatte einen drohenden Unterton.
»Am Abend vor ... vor dem Unglück rief Franci mich an, er sagte, es sei etwas Unglaubliches passiert, er müsse sofort mit mir reden, aber dann hat er es sich anders überlegt.
›Morgen nach der Schule, und sei ja vorsichtig. Ich erzähle dir alles und dann beraten wir uns mit deiner Mutter, die ist schließlich bei der Polizei‹, hat er gesagt.
In der Schule, bevor das Chaos losbrach, war er total aufgeregt, schaute sich immer um, suchte Habib, der nicht da war.
›Das glaubst du mir nie, was ich dir zu erzählen habe, das sind Sachen, die gibt’s gar nicht. Wir müssen unbedingt mit deiner Mutter reden, aber kein Wort zu den anderen.‹«
Dann waren die Polizisten mit den Drogenhunden gekommen. Und etwas Komisches war passiert. Monica hatte Franci ein Zeichen gegeben, zu ihr zu kommen, sie hatten kurz getuschelt und zurück an seinem Pult hatte Franci Mau ganz aufgeregt etwas zugeflüstert.
»Er hat mir gesagt, er müsse jetzt Monica decken, aber zum letzten Mal. Ich dachte, dass sie wahrscheinlich Koks bei sich hatte. Es handelte sich um ein Ablenkungsmanöver, wie du vermutet hattest. Er sollte die Beamten auf die Dachterrasse locken, dann würden die Mädchen ihre Show abziehen und könnten in dem allgemeinen Durcheinander verschwinden. Franci stand auf und wollte hinausgehen, da stellte sich ihm diese dumme Kuh von Galli in den Weg, er hat sie kaum
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