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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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waren sparsam eingerichtete, fast mönchisch kahle Räume lieber, und sie mochte moderne Möbel und Kunst, kombiniert mit einigen wenigen alten Stücken. Doch die Räumlichkeiten, die beiden Glasfronten, das Licht – alles strahlte Vornehmheit und gediegenen, unerschütterlichen, quasi gottgegebenen Reichtum aus. Durch die zweite Glasfront gegenüber der ersten am Ende des Salons gelangte man auf eine riesige Terrasse, die über dem Hafen und der Altstadt zu schweben schien. Die Aussicht war mehr oder weniger die gleiche wie von Nellys Wohnung, nur ein wenig weiter nach Osten verschoben, doch in dieser Kulisse wirkte sie wie ganz großes Breitwandkino. Abwesend tätschelte sie die beiden Harlekin-Doggen, die schwanzwedelnd auf sie zukamen. Dann fiel ihr Blick auf das große Gemälde an der linken Wand (möglicherweise ein Van Dyck oder ein Werk aus seiner Schule?). Darauf war offenbar eine Ahnherrin der Familie zu sehen, höchst vornehm und streng in schwarzen, mit Perlen und Diamanten bestickten Damast gekleidet. Das blonde Haar schimmerte wie Gold, die wachen Augen waren starr auf den Maler gerichtet, der die kalte, rätselhafte und mitleidlose Seele, die aus ihnen sprach, äußerst gekonnt auf die Leinwand gebannt hatte, ohne die berückende, filigrane Schönheit ihrer Besitzerin zu vernachlässigen.
    Ihre Anmut glich der eines Wiesels, eines Fuchses, eines Luchses oder irgendeines anderen arglos grausamen Raubtiers, fand Nelly. Das kaum merkliche Lächeln auf den sinnlichen Lippen konnte Nelly nicht täuschen: Diese Frau besaß keinen Funken Humor, und sie lächelte nicht einfach so. Solch eine Verschwendung lag ihr gewiss fern. Gedankenverloren stellte sich Nelly ein Zimmer jener Zeit vor, darin der Maler aus dem Norden und sie, Caterina. Das war ihr Name, der auf einer Plakette unten am Rahmen eingraviert war. Hatte er sich in diese stolze, herausfordernd unnahbare Schönheit verliebt, in ihre helle, durchscheinende Haut, auf der die Familienjuwelen funkelten? Hatte er mit ihr geschlafen? Und hatte sie dabei etwas anderes empfinden können als ihre gesellschaftliche Stellung? War sie zu Leidenschaft fähig gewesen?
    Reiner Sex, das vielleicht, aber Liebe? Gefühle? Die Kraft, die von dieser Frau ausging, stand im krassen Gegensatz zu ihrer zerbrechlichen Gestalt, die sich selbst unter den schweren Kleidern erahnen ließ. Am Finger trug sie einen taubeneigroßen Rubin, und ihre Hand ruhte auf dem Kopf eines drolligen orientalischen Hündchens. Plötzlich wusste Nelly, was ihr an dieser Caterina so bekannt vorkam: der geheimnisvollen Macht der Gene geschuldet, war sie das Ebenbild von Monica! Der kleinen Monica, die zu Maus Partys kam und die immer von ihr zum Abendessen eingeladen werden wollte ...
    »Sie sieht Monica ähnlich, nicht wahr?«
    Lautlos hatte sich die Hausherrin von hinten genähert und sie vielleicht schon ein Weilchen beobachtet. Nelly zuckte unmerklich zusammen, jäh aus ihren Tagträumen gerissen.
    »Ciao, Federica.«
    »Ciao, Nelly. Ich nehme an, du schaust nicht einfach so vorbei.«
    Ihre Stimme war vollkommen neutral. Nelly betrachtete sie. Federica Pittaluga alterte nicht. Genau genommen, war sie auch nie wirklich jung gewesen. Nelly kannte sie seit einer Ewigkeit, seit der allerersten Grundschulzeit in Castelletto, als Monica und Mau zwei fröhliche kleine Fratze gewesen waren, die zusammen in den Parks der Anhöhe gespielt hatten. Federica war schon immer gewesen wie jetzt, sehr viel größer als ihre Tochter, aufrecht und streng, mit dunklem, vorzeitig weißmeliertem Haar, das aussah, wie von künstlichen Strähnchen durchzogen. Sie hatte tiefschwarze Augen und eine Adlernase: keinerlei Ähnlichkeit mit Monica. Das Mädchen kam offensichtlich ganz nach der väterlichen Seite, den Pittalugas. Gianandrea Pittaluga, der dritte von fünf Brüdern und vier Schwestern, war nicht größer als seine Frau, hager, mit schütterem blonden Haar und schmalen hellen Augen. Der Mund schien mit seinem blassen, ausdruckslosen Gesicht nichts zu tun zu haben: er war sinnlich und voll und wegen der großen, schiefen Zähne ein wenig vorspringend. Auch Monica hatte diesen seltsamen Mund, doch ihre Zähne waren kleiner, wie die eines kleinen Raubtiers.
    »Mannomann, heute geht meine Phantasie aber mit mir durch«, dachte Nelly und bemühte sich um eine freundliche und zugleich sachliche Antwort: »Du hast recht, ich komme tatsächlich nicht einfach so vorbei. Wie du dir vorstellen kannst, bin ich wegen der

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