Schnee in Venedig
Lächeln erreichte nicht seine Augen. «Um einen Anschlag auf das Leben der Kaiserin», sagte er.
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«Hummelhauser hat für den Ballhausplatz gearbeitet», sagte Pergen. «Der Hofrat war zuständig für die Bündelung und die Aufbereitung von Informationen aus dem Veneto. Er kam alle zwei Monate nach Venedig. In der Regel sprach er mit mir oder mit Toggenburg. Seine Berichte landeten direkt auf dem Schreibtisch Seiner Majestät, des Kaisers. Der Hofrat war nicht besonders beliebt», fuhr Pergen fort, «aber meistens hatte er mit seinen Einschätzungen Recht. Er hat 1856 den Verlust der Lombardei prophezeit und ein Jahrspäter dazu geraten, einen gewissen Giuseppe Garibaldi zu liquidieren.»
Bei dem Wort
liquidieren
entblößte Pergen lächelnd eine Reihe kräftiger Zähne. Dann nahm er einen Schluck von dem Kaffee, den Putz gebracht hatte, und zündete sich eine Zigarette an. «Vor drei Tagen erhielt ich ein Telegramm von Hummelhauser. Der Hofrat war auf Hinweise darauf gestoßen, dass eine Gruppe von ehemaligen Exilanten ein Attentat auf die Kaiserin plant. Er wollte mich morgen im
Danieli
treffen, um mir entsprechende Unterlagen zu übergeben.»
Der Oberst hatte Trons Polizisten inzwischen durch ein halbes Dutzend kroatischer Jäger ersetzt. Drei Soldaten bewachten den Zugang zum Schiff, zwei weitere waren auf Deck postiert. Bis auf einen Sergeanten, der die Tür sicherte – wobei völlig unklar blieb, gegen
wen
–, waren Tron und Pergen allein im Bordrestaurant.
Sie hatten jeden Koffer Hummelhausers zum zweiten Mal durchsucht, jedes Wäschestück umgedreht und jeden Fetzen Papier genau geprüft, aber die Unterlagen, nach denen Pergen suchte, blieben verschwunden.
«Und Sie meinen, Pellico wusste, dass der Hofrat mit diesen Unterlagen unterwegs war?», fragte Tron.
Pergen nickte. «Ich kann Ihnen nicht sagen, wie er es erfahren hat. Offenbar hat er mehr gewusst als ich. Er war sogar darüber informiert, dass Hummelhauser einen Tag früher als geplant in Venedig eintreffen würde.»
«Was enthielten diese Unterlagen?», fragte Tron.
«Die Namen der Verschwörer, den Ort und den Zeitpunkt des Attentats.»
«Wer weiß noch von diesem Komplott?»
«Niemand. Der Hofrat wollte, dass ich alles für mich behalte, um eine Überreaktion Toggenburgs zu vermeiden.»
«Werden Sie den Stadtkommandanten nun informieren?», erkundigte sich Tron.
«Mir wird nichts anderes übrig bleiben», sagte Pergen.
«Ich verstehe nicht, was dieses Attentat bezwecken soll. Denken die, dass sich die Österreicher nach einem Anschlag aus dem Veneto zurückziehen werden?»
«Nein. Aber Toggenburg wird Leute verhaften lassen, die völlig unschuldig sind, und jeden Tag ein Dutzend Razzien veranstalten. Venedig würde zum Pulverfass, das jederzeit in die Luft fliegen kann.
Das
wollen die.» Der Oberst trank einen Schluck Kaffee. Dann zog er nervös an seiner Zigarette und sagte in die aufsteigende Rauchspirale: «Begreifen Sie jetzt, warum ich diese Papiere dringend finden muss?»
«Was haben Sie vor?»
«Pellico zu verhaften und sein Haus zu durchsuchen.»
«Wenn er überhaupt noch in der Stadt ist.»
«Das ist er. Pellico hält seine Stellung als Direktor des
Istituto delle Zitelle
für eine perfekte Tarnung.»
«Eine perfekte Tarnung wofür?»
Pergen warf Tron einen misstrauischen Blick zu. Die Frage schien wie ein Gesuch an eine innere Behörde zu gehen, um dann mit einem Stempel bewilligt zu werden. Daraufhin sagte er: «Pellico koordiniert die Aktivitäten des
Comitato Vèneto
.»
«Und warum haben Sie ihn nicht schon lange verhaftet?»
«Weil es klüger war, ihn und sein Netz vorläufig zu beobachten», sagte Pergen. «Wir wussten, dass Pellico nach Triest gefahren war. Aber wir kannten den Grund nicht. Dass seine Reise mit den Entdeckungen Hummelhausers zu tun haben könnte – darauf ist niemand gekommen. Erst im Nachhinein passt alles zusammen.»
«Vielleicht
zu
gut», sagte Tron. «Sind Sie sicher, dass es nicht eine ganz andere Erklärung für den Mord an demHofrat geben könnte? Es soll gestern Nacht im Bordrestaurant zu einem Streit zwischen Hummelhauser und einem gewissen Leutnant Grillparzer gekommen sein.»
«Und?»
«Vielleicht sollte man dem Leutnant ein paar Fragen stellen. Ich würde gerne wissen, worum es bei diesem Streit gegangen ist.»
Pergen tat Trons Vorschlag desinteressiert ab. «Sie würden nur Ihre Zeit verschwenden.»
«Und das Mädchen?», gab Tron zu bedenken.
«Was soll mit dem
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