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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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nicht deuten konnte. «Auf dem Schiff.»
    Der Ingenieur schüttelte den Kopf. «Nein, das meine ich nicht. Auf dem Schiff habe ich Sie offenbar nicht zur Kenntnis genommen.» Er verstummte und zog die Stirn in Falten. «Sind Sie öfter in Wien, Principessa?»
    «Nicht besonders häufig», antwortete sie.
    «Nun, dann   …» Haslinger vollendete den Satz nicht. Stattdessen zuckte er resigniert die Achseln. Auf einmal schien er es sehr eilig zu haben, sich zu verabschieden.
    «Wie lange kennen Sie ihn?», fragte die Principessa, nachdem Haslinger in der Menge verschwunden war.
    «Seit gestern», sagte Tron. «Wir haben uns zufällig kennen gelernt. Haslinger ist ein Neffe von Spaur. Er ist auf dem Schiff mit einer doppelten Dosis Laudanum in sein Bett gekrochen und erst in Venedig wieder aufgewacht.»
    «Er hat Ihnen also nicht helfen können?» Die Principessa sah Tron mit messerscharfem Blick an.
    «Nein.» Tron seufzte. «Haslinger hat alles verschlafen. Auch den Sturm.» Er sah, wie die Principessa ihren Mund öffnete, um etwas zu erwidern, es dann aber vorzog zu schweigen.
    Als die Gondel der Principessa kam, reichte sie Tron zum Abschied die Hand. «Ich bin am Sonntag wieder in Venedig», sagte sie in sachlichem Ton. Allerdings hielt sie dabei Trons Hand ein paar Sekunden länger fest als nötig – so jedenfalls erschien es ihm. «Sie könnten mir dann erzählen, was Moosbrugger gesagt hat.»
    «Wieder um vier?», fragte er.
    Aber die Principessa hatte bereits einen Fuß auf dem Dollbord der Gondel und konnte nur noch nicken. Dann sah Tron, wie ihre Gondel durch die wartenden Boote manövrierte und schließlich unter dem Ponte Fenice verschwand.

25
    Elisabeth benötigt eine Sekunde, um zu erkennen, dass es sich um drei kroatische Jäger handelt, weitere zwei Sekunden, um deren Dienstgrade zu identifizieren. Der Mann, der sie angesprochen – angebellt – hat, ist ein Leutnant. Die beiden anderen Soldaten, die zwei Schritte hinter ihm stehen, sind Sergeanten.
    «Ja, bitte?»
    Mit scharfer Stimme und vom Gipfel ihrer kaiserlichen Autorität herab gesprochen, sind das zwei Wörter, die ihr sofort Respekt verschaffen, aber den kaiserlichen Gipfel hat sie vor rund einer Stunde verlassen, und ihrer Stimme ist sie sich nicht sicher.
    «Sie sprechen Deutsch, Signora?»
    Der Leutnant hat stechende Schweinsäuglein, lange, nach vorne gebogene Schneidezähne und eine breite, rüsselartige Nase. Soll sie verlangen, seinen vorgesetzten Offizier zu sprechen? Nein, entscheidet Elisabeth. Sie will keinen weiteren Offizier, sie will keine Fortsetzung des Gesprächs, womöglich im Wachlokal an der Piazza, in dem es heller ist als hier, in der Dämmerung des kleinen Parks. Also sagt sie, höflich, aber nicht ohne Bestimmtheit:
    «Würden Sie mir verraten, worum es geht, Leutnant?»
    Jetzt bricht der Leutnant in ein meckerndes Lachen aus. Er lacht, ohne den Kopf zu bewegen und ohne seinen Mund dabei mehr als einen schmalen Spalt weit zu öffnen. Kleine Dampfwolken strömen aus seiner Nase, während er lacht. «Vielleicht verraten Sie mir, was
Sie
hier machen, Signora.»
    «Einen Spaziergang.»
    «Sie macht einen Spaziergang.» Wieder das meckernde Lachen und ein Blick auf die Sergeanten, mit dem der Leutnant sie auffordert, in sein Gelächter einzustimmen,doch die Sergeanten bleiben stumm. Elisabeth hat den Eindruck, dass ihnen der ganze Auftritt peinlich ist.
    «Ist das verboten?», fragt Elisabeth.
    Aber der Leutnant antwortet nicht. Er hat seine Mundwinkel energisch nach unten gezogen, was bewirkt, dass seine Oberlippe weiter nach vorne rutscht und er mehr denn je einem Nagetier ähnelt.
    «Sichern», befiehlt er.
    Zum ersten Mal auf ihrer Exkursion hat Elisabeth das Gefühl, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Das Bild, das sie vor sich sieht, ist außerordentlich deutlich. Es ist nicht nur ein Bild, denn es beinhaltet zugleich einen bitteren Geschmack auf der Zunge, den Geruch des Wachlokals an der Piazza (es riecht nach Zigarettenrauch und abgestandenem Essen) und die Kälte des Raumes, die von den Steinfliesen durch ihre Beine in ihren Körper fließt. Sie sitzt auf einem harten Holzstuhl, und um sie herum steht ein Haufen aufgeregter Offiziere, die wild durcheinander schreien. Sie haben ihren Passierschein überprüft, Kontakt mit dem wachhabenden Offizier im Palazzo Reale aufgenommen und festgestellt, dass eine Gräfin Hohenembs im Palazzo Reale vollständig unbekannt ist. Sie haben die Kaiserin, die den Passierschein

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