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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Gesicht. Sie sagte – und es klang ehrlich: «Der Frack steht Ihnen gut, Commissario.»
    Tron stieß den Atem, den er unwillkürlich angehalten hatte, aus. Er drehte die Augen nach oben und hob in komischer Verzweiflung die Arme. «Und Sie sehen aus wie   …» Er brach ab, weil ihm kein Vergleich angemessen erschien, und sagte kopfschüttelnd: «Mir fehlen die Worte, Principessa.»
    Die Principessa lachte. «Kommen Sie, Commissario, dasist hier kein Rendezvous.» Ihr Lachen war voller Wärme und strafte diesen Satz Lügen. Dann streckte sie Tron ihre Hand entgegen, und trotz seiner Verwirrung begriff er, dass sie keinen Handkuss von ihm erwartete. Sie wollte, dass er ihre Hand ergriff. Das tat Tron, und an seiner Hand zog sie ihn auf den Nebensitz.
    «Was hat Spaur gesagt?», fragte sie ohne Überleitung in die ersten Takte der Ouvertüre hinein. Sie hatte sich zu Tron hinübergebeugt, und ihr Gesicht, das jetzt wieder einen ernsten Ausdruck angenommen hatte, war Tron so nahe, dass er jede ihrer Wimpern einzeln zählen konnte.
    Tron begann mit der Entdeckung des Fotos bei Sivry, fuhr mit seinem Besuch bei Tommaseo und Ballani fort und schloss mit der Schilderung des Gesprächs, das er heute Vormittag mit Spaur geführt hatte.
    Die Principessa hörte Tron schweigend zu. Als er seinen Bericht beendet hatte, hob sie resigniert die Schultern und meinte: «Also hat Ihnen Spaur nicht geglaubt.» Das schien sie nicht sonderlich zu überraschen.
    «Spaur bezweifelt, dass Ballani mir die Wahrheit gesagt hat.»
    «Ballani hat keinen Beweis für das, was er Ihnen erzählt hat», sagte die Principessa. «Und Spaur braucht etwas Handfestes, wenn er sich an Toggenburg wendet.»
    «Halten
Sie
Ballanis Geschichte für plausibel?»
    «Immerhin erklärt sie, warum Pergen Ihnen den Fall sofort entzogen hat. An das Attentat habe ich nie geglaubt.» Die Principessa sah Tron aufmerksam an. «Sie gehen also davon aus, dass Grillparzer den Hofrat im Auftrag Pergens getötet hat.»
    Tron nickte. «Wenn Pergen rechtzeitig am Schiff gewesen wäre, hätte Grillparzer nichts befürchten müssen. Aber dann reiste der Hofrat überraschend einen Tag früher nachVenedig, und Landrini hat die Wache an der Piazza benachrichtigt und nicht die Militärpolizei.»
    «Und Sie waren bereits vor Ort, als Pergen ankam.»
    «Womit Pergen nicht gerechnet hat. Er musste schweres Geschütz auffahren, um mich wieder loszuwerden», sagte Tron.
    «Das Attentat», stellte die Principessa fest. «Pergen hat den Namen Pellicos auf der Passagierliste gesehen und von dem Verfahren gewusst, das gegen Pellico wegen dieser wissenschaftlichen Abhandlung lief. Er hat Ihnen also das Märchen von einem Attentat auf die Kaiserin aufgetischt. Dann hat er Pellico verhaften lassen. Um zu zeigen, dass er es ernst meint, und um Zeit zu gewinnen. Dass Pellico sich in seiner Zelle erhängen würde – damit hat Pergen sicherlich nicht gerechnet. Aber es war ein Glücksfall für ihn.»
    «Und es hätte funktioniert», sagte Tron. «Pergen konnte nicht ahnen, dass ich Ihnen begegnen und zwei Tage später bei Sivry auf die Fotografie von Hummelhauser und Ballani stoßen würde. Grillparzer hat nicht nur ein Motiv gehabt, seinen Onkel zu töten, sondern zwei. Es passt alles zusammen.»
    «Bis auf eine Kleinigkeit.»
    «Was meinen Sie, Principessa?»
    «Ich meine das Mädchen. Ein Mann, der die Absicht hat, auf der
Erzherzog Sigmund
einen Mord zu begehen, holt sich keine Zeugin an Bord.»
    «Warum nicht? Grillparzer könnte das Mädchen an Bord geholt haben, um sich ein Alibi zu beschaffen.
Nein, Herr Richter. Der Herr Leutnant ist die ganze Nacht bei mir in der Kabine gewesen

    Die Principessa schüttelte den Kopf. «Niemand hätte ihr geglaubt.»
    «Und was folgt daraus?», fragte Tron.
    «Dass es wahrscheinlich nicht Grillparzer war, der das Mädchen getötet hat», sagte die Principessa.
    «Aber wenn es weder Hummelhauser noch Grillparzer war – wer war es dann?», fragte Tron.
    Die Principessa warf ihm einen Blick zu, den er nicht deuten konnte. «Eine dritte Person», sagte sie. «Ein Passagier, der sich ein Mädchen bestellt hat, es misshandelt und dann erwürgt hat. Und als er feststellen musste, dass er die Leiche nicht über Bord werfen konnte, hat er sie in der Kabine des Hofrats deponiert.»
    «Aber wie konnte dieser Passagier wissen, dass der Hofrat tot war und seine Kabine nicht verriegelt?»
    Die Principessa zuckte die Achseln. «Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin

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