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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Lagerhaus ein Verbrechen ereignet hatte. Ob ein Signor Moosbrugger das Opfer war oder lediglich derjenige, der das Verbrechen angezeigt hatte, war unklar.
    Der Sergente, der auf dem Steg der Fähre Ausschau nach der Polizeigondel gehalten hatte, streckte Tron die Hand entgegen, um ihm beim Aussteigen behilflich zu sein. «Die Frau, der das Haus gehört, hat die Leiche des Mannes entdeckt, Commissario», berichtete er, während sie über den Steg liefen. «Sie steht unter Schock. Einer der Nachbarn hat die Wache an der Piazza alarmiert. Die Leiche liegt in der hinteren Wohnung.»
    «Wer ist noch da?»
    «Grimani und Bossi. Sie sind in der Wohnung.»
    «Und die Frau?»
    «Liegt in ihrem Schlafzimmer. Die Nachbarin ist bei ihr.»
    «Kann man mit ihr reden?»
    Der Sergente zuckte mit den Achseln. «Vielleicht nachher. Ich führe Sie erst mal nach hinten.»
    «Wissen Sie, was passiert ist?»
    «Keine Ahnung. Die Frau wollte ihren Mieter besuchen, sagt ein Nachbar.»
    «Und fand seine Leiche?»
    «So ist es.»
    «Heißt der Mann, der ermordet worden ist, Moosbrugger?»
    «Ich glaube, ja.»
    Sie durchquerten einen Korridor, der in den
portego
führte, den Lagerraum hinter dem Wassertor des Hauses. Vor einer angelehnten Tür, aus der ein schwacher Lichtschein drang, blieb der Sergente stehen und trat zur Seite. «Gehen Sie vor, Commissario. Grimani und Bossi sitzen in der Küche.»
    Tron betrat einen weiteren Korridor, von dem auf der rechten Seite zwei Türen abgingen; die hintere Tür, aus der Stimmen zu hören waren, schien die Küchentür zu sein. Bossi und Grimani saßen am Tisch, doch als Tron die Küche betrat, sprangen sie auf und salutierten.
    «Er ist nebenan.» Grimani, der dienstältere Beamte, deutete mit dem Daumen auf den Nebenraum.
    «Kommen Sie und nehmen Sie die Lampen mit», sagte Tron kurz. «Ich brauche so viel Licht wie möglich.»
    Tron betrat den Raum, in dem Moosbrugger lag, als Letzter. Die vier Petroleumlampen, die Bossi und Grimani auf den Fußboden stellten, tauchten Moosbruggers Leichein eine brutale Helligkeit, die nichts beschönigte und nichts verschleierte.
    Der Mann, der vor Tron auf dem Fußboden lag, hatte wenig Ähnlichkeit mit dem gepflegten Chefsteward, den Tron auf der
Erzherzog Sigmund
kennen gelernt hatte. Anstelle seiner makellosen dunkelgrünen Lloyduniform trug Moosbrugger eine Hose aus fleckigem Wollstoff, darüber eine Weste und ein kragenloses Hemd. Sein Kopf lag in einer Lache aus Blut. Der Schnitt, der seinem Leben ein Ende gemacht hatte, verlief in einem präzisen Bogen dicht über seinem Kehlkopf und musste mit einem äußerst scharfen Messer durchgeführt worden sein. Da der Fußboden eine leichte Neigung hatte, war das Blut zur linken Wand geflossen und bildete vor der Scheuerleiste eine kleine Pfütze.
    Tron fiel auf, dass jedes Möbelstück an seinem Platz zu stehen schien – es gab keinen umgestürzten Stuhl, keine herabgezogene Tischdecke, kein zerbrochenes Porzellan. Nicht einmal der grob gewebte Teppich, der die Kälte des Steinfußbodens mildern sollte, schien verschoben worden zu sein. Nichts deutete darauf hin, dass ein Kampf stattgefunden hatte. Der Angriff musste vollständig unerwartet gekommen sein.
    Im Schrank, den Tron geöffnet hatte, hingen zwei Hosen, eine Jacke und ein Mantel, aber keine der eleganten Lloyduniformen, in denen er Moosbrugger erstmals gesehen hatte. Offenbar trug der Steward seine Dienstuniform nur auf dem Schiff und kleidete sich auch dort erst um. Tron griff in die Tasche der Jacke, fand aber nichts; kein Kleingeld, keine Papiere, keinen Kamm. Zwei Paar Stiefel standen am Kopfende von Moosbruggers Bett, ordentlich nebeneinander gestellt wie zum Stubenappell. Die Schüssel auf dem Waschtisch vor dem Fenster war leer, ebenso der Krug daneben. Als Tron die Matratze auf Moosbruggers Bett anhob,fand sich darunter nichts als eine graue Decke, in die die Initialen des Österreichischen Lloyd eingewebt waren. Größere Geldbeträge und wichtige Papiere schien Moosbrugger nicht in seiner Wohnung aufzubewahren.
    Auch in der Küche, die Tron anschließend inspizierte, war nichts, was seine Aufmerksamkeit erregte. Wie in Moosbruggers Zimmer saß auch hier das Fenster recht hoch in der Wandfläche und war mit senkrechten Eisenstäben vergittert – ein Überbleibsel aus der Zeit, in der das Gebäude als Warenlager benutzt wurde. An der linken Wand sah Tron ein Regal, auf dem eine Schüssel aus weißem Steingut stand, die offenbar zum

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