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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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eher ein Asket.»
    Tron sagte: «Dann muss das Mädchen aus der Kabine einesanderen Passagiers gekommen sein.» Ihm fiel das Gespräch ein, das er mit der Principessa im Fenice geführt hatte. Die nicht daran glaubte, dass Grillparzer der Mörder des Mädchens war. «Jemand hat sie getötet und dann die Leiche in die Kabine des Barons geschafft.»
    «Ein Kunde Moosbruggers.» Grillparzer hob den Blick. Tron wusste, was der Leutnant jetzt sagen würde. Grillparzer sagte: «Vielleicht war es derselbe Mann, der Moosbrugger getötet hat.» Der Satz flatterte auf den Tisch wie ein Ass.
    Tron fing Grillparzers Blick auf. Er hatte das Gefühl, dass nun alle Karten auf dem Tisch lagen. «Und was mache ich jetzt mit Ihnen?»
    Grillparzer hob die Schultern. «Vielleicht lassen Sie mich gehen, wenn ich Ihnen etwas verrate, was selbst Pergen nicht weiß.»
    Wie? Hatte Grillparzer noch ein Ass im Ärmel? Tron beugte sich vor. «Und was weiß selbst Pergen nicht?»
    «Die eigentliche Adresse Moosbruggers.»
    «Hier in Venedig?», fragte Tron.
    Grillparzer schüttelte den Kopf. «In Triest. Er hat dort mit einer Frau zusammengelebt. Einer Signora Schmitz. In der Via Bramante 4.   Da sind alle seine Sachen.»
    «Woher haben Sie die Adresse?»
    «Von einem ehemaligen Steward auf der
Erzherzog Sigmund
.» Grillparzer lehnte sich zurück. «Moosbrugger hat ein Buch, in dem alle seine Kunden verzeichnet sind», sagte er.
    «Von diesem Buch habe ich gehört.»
    «Jetzt wissen Sie, wo es ist.»
    Tron erhob sich und trat an das vergitterte Fenster. Nicht einmal zwei Uhr und schon Zwielicht. Auf der anderen Seite des Canalazzo waren undeutlich die Umrisse des Palazzo Pisani-Moretta zu erkennen. Eine Gondel passiertedas Wassertor, sie schlingerte in der Bugwelle eines mit Brennholz beladenen Lastseglers, der vom Rialto kam. Tron musste an einen Artikel in der
Gazzetta di Venezia
denken, in dem prophezeit worden war, dass in ein paar Jahrzehnten Dampfschiffe auf dem Canalazzo verkehren würden – so wie Pferdebahnen auf den Straßen in Wien oder Paris. Die Bugwellen der Dampfschiffe würden zweifellos das Ende der Gondeln bedeuten.
    Tron drehte sich langsam um. «Sie können gehen», sagte er zu Grillparzer.
     
    Eine halbe Stunde später traf Dr.   Lionardo ein. Er trug seinen langen, bis an die Knöchel reichenden Radmantel und dazu einen breitkrempigen schwarzen Hut, eine Kombination, die an die Kleidung erinnerte, die Priester tragen. Sein Mantel wehte dramatisch, als er Moosbruggers Wohnzimmer betrat. Er gab Tron strahlend die Hand.
    «Die Mordfälle häufen sich, finden Sie nicht? Ist das da unsere Leiche?»
    Tron hatte nie den Eindruck, dass Dr.   Lionardo der Anblick einer Leiche deprimierte – ganz im Gegenteil. Beim Anblick Moosbruggers war er geradezu entzückt. Er setzte seine Ledertasche ab und ging elastisch in die Knie. Dabei pfiff er eine Melodie aus
La Traviata.
    «Schöner Schnitt», brummte er, während er Moosbruggers Kopf nach hinten bog. «Sauber und kräftig. Hat den Burschen umgehauen wie ein Blitz. Hat vielleicht nochmal geblinzelt, aber reden hat er garantiert nicht mehr können. Geht mitten durch die Stimmbänder, der Schnitt. Großer Gott, ist das eine Schweinerei hier.»
    Dr.   Lionardo warf einen freudig erregten Blick auf die Blutlache, die sich unter Moosbruggers Kopf ausgebreitet hatte.
    «Haben Sie die Tatwaffe?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Nein.»
    «Kein Wunder. So ein Gerät lässt man nicht einfach da. Der Täter muss ein extrem scharfes Messer benutzt haben. Mit solch einem Instrument schneiden Sie durch die Gurgel wie mit einem heißen Messer durch Butter.»
    Dr.   Lionardo, der jetzt weiße Baumwollhandschuhe trug, hob mit einem kleinen Holzspatel jeden einzelnen Finger Moosbruggers leicht an. «Keine Abwehrverletzungen. So, wie ich dachte. Der Mann war tot, bevor er wusste, was los war.»
    «Kann man jemandem eine solche Wunde zufügen, ohne dass man selber dabei mit Blut bespritzt wird?», fragte Tron.
    Dr.   Lionardo richtete sich auf und kratzte sich am Kopf. «Gute Frage.» Er überlegte einen Moment. Dann sagte er: «Nicht, wenn Sie das Messer von vorne über die Gurgel ziehen. Dann spritzt Ihnen das Blut auf den Frack. Sie müssen von hinten kommen, schnell und kräftig durchziehen»– er fuhr mit dem Holzspatel schwungvoll durch die Luft – «und sofort zurücktreten.»
    Er sah Tron fröhlich an, aber dann fiel ihm noch etwas anderes ein: «Übrigens – haben Sie schon die

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