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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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zurückgekommen sind und der Fürst kurz darauf gestorben ist. Den Palazzo hatte er in den dreißiger Jahren gekauft. Die Montalcinos kommen aus der Toskana.»
    «Und die Principessa – ist bekannt, woher sie stammt?»
    «Angeblich aus Gambarare. Das ist ein kleines Nest in der Nähe von Dogaletto.»
    Tron nickte. «Zwischen Dogaletto und Mira. Ich weiß.»
    «Aber Bea Albrizzi sagt, sie spricht kein
Veneziano

    «Sie spricht überhaupt keinen Dialekt. Bist du dir sicher, dass die Principessa aus Gambarare stammt?»
    «Zumindest habe ich es so gehört. Allerdings ist es dann seltsam, dass sie kein
Veneziano
spricht.»
    «Gibt es sonst noch Gerüchte über die Principessa?», erkundigte sich Tron.
    Die Contessa schüttelte den Kopf. «Nicht dass ich wüsste. Wirst du sie wiedersehen?»
    «Vermutlich.»
    Die Contessa warf Tron einen misstrauischen Blick zu. «Falls dein Interesse an dieser Frau über das Berufliche hinausgeht, solltest du daran denken, dass sie vielleicht
wirklich
keine Venezianerin ist.» Sie schien vergessen zu haben, dass sie ihm eben noch nahe gelegt hatte, eine Amerikanerin zu heiraten. «Ich bin nicht sicher, ob eine Verbindung mit einer
Ausländerin
gut ist. Kannst du dich an das Mädchen erinnern, das Andrea Valmarana geheiratet hat? Die
Ausländerin
, die dieses affige Italienisch gesprochen hat?»
    «Ja, natürlich.» Tron lächelte. «Sie hat geredet wie Dante höchstpersönlich.»
    Die Contessa nickte. «Sie hat immer so getan, als würde sie uns nicht verstehen, wenn wir
Veneziano
gesprochen haben. Wenn sie sprach, hatte man immer das Gefühl, sie würde sich einbilden, etwas Besseres zu sein. So als würden wir hier einen obskuren Dialekt sprechen. Weißt du, woher diese Frau kam, Alvise?»
    «Nein.»
    «Sie kam aus
Palermo
!», rief die Contessa.

27
    Das Einzige, dachte Filomena Pasqua, als sie, kurz nach zehn Uhr morgens, ihr Gesicht im Spiegel betrachtete – das Einzige, was ihr an ihrem neuen Untermieter nicht gefiel, war sein Name. Moosbrugger hieß der Mann – ein Name, den sie nur mit einiger Mühe aussprechen konnte. Und so weit, dass sie Signor Moosbrugger mit seinem Vornamen anreden durfte, war sie noch nicht. Allerdings hatte sie die begründete Hoffnung, dass sich das bald ändern würde – vielleicht schon im Laufe des heutigen Morgens. Ein opulentes Frühstück, in einem gut geheizten Zimmer bei romantischem Kerzenlicht eingenommen, konnte da viel bewirken. Filomena Pasqua, die den Schnee und die Dunkelheit des Winters hasste, war zum ersten Mal in ihrem Leben froh darüber, dass es Tage gab, an denen es erforderlich war, bereits zum Frühstück die Kerzen auf dem Tisch zu entzünden.
    Sie beugte sich über den Spiegel, der auf ihrem Waschtisch stand, und versuchte zu lächeln, ohne dass man dabei ihre Zähne sah. Schon hinsichtlich der geringen ihr noch verbliebenen Anzahl waren ihre Zähne die Schwachstelle ihrer Erscheinung, und sie hatte nicht vor, ein Risiko einzugehen. Ihre Pluspunkte waren die schlanke Figur, ein rundes, frisches Gesicht mit großen, haselnussbraunen Augen und ein Busen, der ihrer kurzen Gesangskarriere am Fenice durchaus förderlich gewesen war – aber das alles lag jetzt mehr als zwanzig Jahre zurück.
    Sie wusste, dass die meisten Männer, wenn sie eine Frau küssen, ungefähr dann, wenn ihre Lippen eine Handbreit von den Lippen der Frau entfernt sind, die Augen schließen – es war also immer noch Zeit genug, den Mund zu öffnen, wichtig war nur, es nicht zu früh zu tun. Wenn sie im entscheidenden Moment nicht die Kontrolle verlor, konntenichts schief gehen. Andererseits war es genau das, was sie wollte: in den Armen des Mannes, der sie in knapp einer Stunde zu einem späten Frühstück besuchen würde, die Kontrolle zu verlieren.
    Vor einer ganzen Reihe von Jahren hatte sie im Chor des Fenice gesungen und im Anschluss eine Solokarriere begonnen. Dass ihr dabei die Freundschaft, die sie mit dem Conte Mocenigo, dem damaligen Intendanten des Fenice, verband, nützlich gewesen war, hätte sie nie abgestritten – es war zu offensichtlich.
    Anfang der vierziger Jahre geriet ihre Karriere ins Stocken, was zweifellos daran lag, dass der Conte sich ins Privatleben zurückgezogen hatte. Als das Fenice, das in den Revolutionswirren geschlossen war, 1852 wieder öffnete, musste sie feststellen, dass niemand mehr an ihr als Solistin interessiert war – ja, sie nicht einmal ihre alte Stelle als Sopranistin im Chor wieder zurückbekam.
    1853

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