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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Geschirrspülen diente. Die Schüssel war zur Hälfte mit schmutzigem Wasser gefüllt, aus dem zwei Tassen ragten. Neben der Schüssel standen ein Teller und eine Flasche Grappa, die mit einem Korken verschlossen war. Ein Brot lag ebenfalls auf dem Regal und vor dem Brot ein großes Messer. Tron nahm es in die Hand und prüfte die Schärfe der Klinge mit seinem Daumen. Sie war stumpf und mit Sicherheit nicht die messerscharfe Klinge, die Moosbruggers Kehle durchschnitten hatte.
    Blieb noch der Wandschrank. Die Tür stand einen Spaltbreit auf und ließ sich leicht öffnen. An einer Stange, die über die ganze Breite des Schrankes lief, hingen Hemden, Uniformjacken des Österreichischen Lloyd, ein Mantel und eine Art Umhang. Unten auf dem Schrankboden sah Tron ein Paar Stiefel, halb verdeckt von herabhängender Kleidung. Dass etwas nicht stimmte, wusste er, als sich einer der beiden Stiefel bewegte.
    Hätte Tron einen Revolver gehabt, dann hätte er ihn wahrscheinlich gezogen und den Hahn laut und deutlich einrasten lassen. Aber sein Dienstrevolver lag dort, wo er immer lag, in der Schublade seines Schreibtisches auf der Questura. Also beschränkte er sich darauf, vorsichtshalbereinen Schritt zurückzutreten und so laut zu sprechen, dass Bossi und Grimani, die nebenan in der Küche waren, ihn auf jeden Fall hören würden.
    «Kommen Sie aus dem Schrank, Signore», sagte Tron.
    Was der Mann dann auch tat, indem er den Mantel und den Umhang zur Seite schob und einen Schritt nach vorne machte. Er hielt den Kopf gesenkt und trug die Uniform eines Leutnants der kroatischen Jäger. Erst als er sein Kinn hob, erkannte ihn Tron.
    «Bringt ihn in die Küche», sagte er zu Grimani und Bossi, die in der Tür aufgetaucht waren.

29
    «Ich kann Ihnen alles erklären, Commissario», sagte Grillparzer, der Tron am Küchentisch gegenübersaß. «Aber vielleicht ist es besser, wenn Sie   –» Er hielt inne. Im Schein der Petroleumlampe, der seinen aufgeknöpften Militärmantel zu Flügeln modellierte, ähnelte er einem zerzausten Vogel. Tron konnte nicht sagen, woran es lag, aber Grillparzer machte nicht den Eindruck eines Mannes, der gerade einen Mord begangen hatte. Sie hatten den Leutnant nach der Tatwaffe – einem extrem scharfen Messer – durchsucht, aber nichts gefunden.
    Tron sagte: «Wenn ich die Militärpolizei benachrichtige?»
    Grillparzer hob erschrocken die Hände. «Wenn Sie die Militärpolizei
nicht
benachrichtigen.»
    «
Was
können Sie mir erklären?» Tron sah, dass Grillparzer braune Augen hatte, die im Flackern der Petroleumlampe changierten.
    «Was auf dem Schiff passiert ist. Und was hier passiert ist.»
    «Was hier los ist, dürfte klar sein», sagte Tron. Er hielt es für unklug, sich in diesem Stadium der Vernehmung von einem diffusen Gefühl leiten zu lassen. Immerhin hatte er Grillparzer zwei Schritte von der Leiche Moosbruggers entfernt in einem Wandschrank erwischt. «Moosbrugger liegt nebenan und ist tot. Sie haben ihn getötet, weil er zu viel wusste.»
    Zuckte Grillparzer zusammen? Nein. Er blinzelte nur kurz und verzog traurig die Mundwinkel.
    «Als Sie die Wohnung verlassen wollten», fuhr Tron fort, «hörten Sie jemanden an der Tür. Also blieb Ihnen nichts anderes übrig, als sich in dem Schrank zu verkriechen.»
    Grillparzer ließ sich auf seinem Stuhl zurückfallen. «So ist es nicht gewesen.»
    «Wie ist es denn gewesen?»
    «Moosbrugger war nicht da. Als ich kam, wollte Signora Pasqua gerade das Haus verlassen. Ich habe sie gefragt, ob ich in Moosbruggers Wohnzimmer auf ihn warten könnte, und sie hatte nichts dagegen.»
    «Was wollten Sie von Moosbrugger?»
    «Ihn fragen, wie das Mädchen in die Kabine meines Onkels gekommen ist.»
    «Und er hätte es Ihnen gesagt?»
    «Das weiß ich nicht. Ich hatte es gehofft.»
    «Also haben Sie auf Moosbrugger gewartet.»
    Grillparzer nickte. «In seinem Zimmer. Aber nach ein paar Minuten hörte ich ein Geräusch aus der Küche. Ich ging rüber, um nachzusehen, was es war. Aber es war nur die Katze. Und in dem Moment kam Moosbrugger zurück. Offenbar hatte ihm niemand gesagt, dass ich da war.» Grillparzer holte tief Luft. «Er war nicht allein. Ein Mann war bei ihm.»
    «Warum sind Sie in der Küche geblieben?»
    «Weil ich   …» Grillparzer ließ seinen Blick umherschweifen, so als suchte er einen Merkzettel an der Wand. Dann sagte er: «Weil ich dachte, Moosbrugger wäre in der Begleitung von Oberst Pergen.»
    «War es Oberst

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