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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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ihren Augen einnisten, besser die Stirn bieten können.«
    »Pfui, wie eklig.«
    »Wenn man wenig Ahnung von der Materie hat, kann man das Ganze so sehen, aber der Faden der Ariadne im Labyrinth des Lebens, das ist ein langer Bandwurm, lass dir das gesagt sein.«
    »Da ist mir die Musik lieber. Die reicht mir. Sollen wir noch etwas spielen?«
    »Ja, gern.«
    Und so spielten wir weiter, den ganzen Samstagvormittag über, wir aßen ein paar Butterbrote und übten bis in den Nachmittag hinein.
    Schließlich sagte sie: »So, auf zum Markt, denn jetzt wird alles zu Schleuderpreisen verkauft.«
    Wir gingen also wieder gemeinsam über den Markt, und ich dachte: Was würde Jouri denken, wenn er mich jetzt sähe? Würde er auf der Stelle eingreifen? Oder würde er sofort sehen, dass diese dürre Querflötenlehrerin mit ihren flachen Schuhen und ihrer flachen Brust viel zu alt für mich ist? Und viel zu schnippisch außerdem. Ganz abgesehen davon, dass sie es offenbar hasst, sich auch nur ein bisschen elegant zu kleiden.
    Seltsamerweise dachte ich, sie müsse sehr viel älter sein als ich. Kam das daher, weil sie bereits berufstätig war? Wie dem auch sei, als wir zum zweiten Mal über den Markt gingen und dabei feststellten, dass der Preis für Porree inzwischen auf eins fünfzig das Kilo gefallen war, fragte sie mich plötzlich nach meinem Sternzeichen.
    »Ende Juli geboren. Löwe.«
    »He, ich bin Anfang Juli geboren. Krebs.«
    »Krebs? Aber Krebse sind doch, wenn man den Astrologen glaubt, wahnsinnig feinfühlig.«
    »Ach, du meinst also, ich bin nicht feinfühlig?«
    »Jemand, der wutentbrannt den Putz von der Decke stampft?«

Disziplin
    S ie hatte mir die Klavierstimmen von Bachs Flötensonaten mitgegeben mit dem Auftrag: »Üben, bis du umfällst.« Kraft welchen Gesetzes bin ich dazu verpflichtet?, dachte ich jedes Mal, wenn ich in der darauffolgenden Woche das Notenheft aufschlug. Trotzdem studierte ich die Klavierstimmen, jedenfalls die von BWV 1034, so gut wie möglich ein. Zuerst wollten wir diese Sonate vollständig spielen, danach würden wir weitersehen.
    Nach einer Woche Üben begab ich mich am Samstag wieder zu dem Kurzwarengeschäft am Nieuwe Rijn. Ich klingelte, sie öffnete, sah mich böse an und sagte: »Du kommst aber früh.«
    »Wir waren doch um zehn Uhr verabredet?«
    »Um zehn? Bist du sicher? Nächstes Mal um elf. Zehn Uhr ist mir viel zu früh.«
    Nach diesem herzlichen Empfang ging wirklich alles schief. Zunächst gelang es ihr nicht, ihre Flöte richtig zu stimmen. Immer wieder musste ich ein a anschlagen, und dann drehte und zog sie ein wenig an den Enden ihres Instruments. Sie pustete auf die Klappen, sie zog eine Art Wischlappen, der in einer Öse an einem dunkelbraunen Stab befestigt war, durch die Flöte, aber nichts half. Ein sauberes a wollte ihr nicht gelingen.
    »Dann erst etwas trinken«, meinte sie mürrisch.
    Wir tranken Tee.
    Ich fragte: »Stammst du aus Leiden?«
    »Nein«, sagte sie kurz angebunden, »aus Stavoren.«
    »Ach, du bist die kleine Frau von Stavoren, aus der bekannten Sage!«
    »Quatsch nicht.«
    Erschrocken blies ich den Dampf von meinem Tee, hob dann, um mich mit der Wärme zu trösten, die Tasse mit beiden Händen hoch und sagte: »Sollen wir ein andermal spielen? Heute scheint ...
    »Gib mir ein wenig Zeit, in die Gänge zu kommen. Brauchst du vielleicht etwas vom Markt? Dann geh erst einkaufen; währenddessen kann ich hier noch ein bisschen rumfuhrwerken.«
    »In Ordnung«, erwiderte ich. »Um elf bin ich wieder da.«
    Kurz darauf spazierte ich auf der Hooglandsekerkgracht zwischen den Marktständen herum. Laut rufend, priesen die Marktleute ihre ausgestellten Waren an. Ich schlenderten inmitten der vielen Käufer mit großen Einkaufstaschen umher, schaute in den Himmel, holte tief Luft und dachte: Du bist bescheuert, wenn du zurückgehst. Diese Frau ist eine Hexe.
    Tja, ich hatte nun einmal gesagt, ich würde um elf Uhr wiederkommen, und darum klingelte ich auch pünktlich an ihrer Tür.
    Sie öffnete, lächelte tatsächlich und sagte: »Entschuldige wegen vorhin. Ich bin unmöglich, ich weiß.«
    Sie stimmte ihre Flöte erneut und blies ein astreines a.
    »Warum klappt es jetzt und vorhin nicht?«, fragte ich.
    »Ich habe meine Flöte in der Zwischenzeit warm gespielt«, antwortete sie.
    Wir spielten BWV 1034. Der erste Satz, das Adagio, gelang recht ordentlich, aber der zweite Satz, das Allegro, mein Gott, welch eine Kraftprobe. Ich meinte, ich hätte diesen

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