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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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wie ein dunkler Schatten auf sie zukam. Nein! Die Bösewichte gaben einfach nicht auf.
    Sie rannte los und schlug um sich.
     
    Gruppeninspektor Robert Riedl hielt sich den Telefonhörer vors Gesicht und sah ihn an. Im selben Moment wurde ihm bewusst, wie unsinnig das war. Auch auf diese Weise würde er nicht feststellen können, ob der Sprecher einen Scherz
machte. Er nahm den Hörer wieder ans Ohr. »Das ist jetzt aber nicht wahr.«
    Er lauschte und grinste. Kritzelte Stephansdom , Krippe , Jesuskind, 1 bis ½ 2 auf das oberste Blatt eines Stapels Konzeptpapier. »Was? Das ist aber weniger fein.« Er kaute an seinem schon sehr zernagten Bleistift. »Na, dann warten wir einmal.«
    Dann legte er auf und sah Gruppeninspektor Theo Schimmel an. »Ein Diebstahl.«
    »Klar, was sonst? Unsere Abteilung.« Schimmel fuhr gerade den Computer herunter.
    »Ja, aber was für einer.«
    »Wenn’s nicht mindestens ein Schiele aus dem Belvedere ist, geh ich heim wie geplant. Ich hab erst ein Geschenk. Und morgen ist Heiliger Abend, wenn ich dich erinnern darf. Ich weiß, dass dich das nicht einmal peripher tangiert, Riedl, aber …«
    »Leider viel zu sehr. Das ist die Zeit der Gefühlsirren. Denen kann man kaum ausweichen.«
    Theo runzelte die Stirn. »… aber mir und der Susi ist das wichtig. Das letzte Weihnachten allein …« Schimmel hielt inne und lächelte Riedl an. Ein maskenhaftes Lächeln.
    Er straffte sich und arbeitete weiter. »Der Hille hat doch Dienst. Leit’s ihm weiter.«
    Riedl legte die Handflächen auf den Tisch und beugte sich vor. »Theo!« Sein Kollege sah auf. »Irgendwer hat heute nach der Mittagsmesse aus einer Krippe im Stephansdom einen Jesus gestohlen. Also das Kind. Aus einer der dort gerade ausgestellten Krippen.«
    Schimmel fuhrwerkte weiter mit der Maus. »So ein Blödsinn. Da hat dich irgendwer auf die Schaufel genommen.«

    »Das war der Dompfarrer. Gegencheck positiv.«
    Jetzt sah Schimmel ihn an. »Ein Jesuskind?« Riedl brummte Zustimmung. »Aus einer Krippe im Stephansdom?« Riedl brummte wieder. »Das war irgendein Streich von … den Ministranten vielleicht. Von blöden Buben halt.«
    »Es wurde eine Frau gesehen.«
    »Aha. Und warum hat sie niemand aufgehalten?«
    »Hat jemand versucht. Der liegt jetzt im Spital. Ist mit dem Kopf gegen eine Säulenkante gedonnert.«
    Jetzt wandte Schimmel sich ihm ganz zu. »Was ist so Besonderes an einer geschnitzten Figur, dass sich jemand dafür prügelt?«
    Riedl stand auf. »Genau das will ich jetzt herausfinden. Und diesen Spaß überlasse ich sicher nicht dem Hille.« Er griff nach der Türklinke, da läutete das Telefon nochmals.
    Schimmel hob ab. Nickte. Zerfurchte die Stirn wie ein Plüschhund. Dann legte er auf und seufzte. »Der Mann aus dem Stephansdom ist gestorben.«
     
    »Sie hat sich eingesperrt und singt die ganze Zeit Kinderlieder.« Die Pflegerin strich sich eine rote Locke hinters Ohr.
    »Wie kann das sein, Frau Stiegel? Da ist doch kein Schloss.« Hannes Federer massierte sich mit allen zehn Fingern die Schläfen.
    »Sie hat wahrscheinlich was vor die Tür geschoben. Jedenfalls kommen wir nicht hinein. Und sie reagiert nicht. Seit zwei Stunden. Sonst hätte ich Sie doch nicht angerufen.«
    Hannes Federer stand auf und schaute durch die Glasscheibe auf den Gang der Klinik, der im grauen Zwielicht des Nachmittags lag. Das einzig Lebendige in ihm war das Flackern
einer Neonröhre, die bald den Geist aufgeben würde … Die Lampe starb, die Bewohner der Station dämmerten weiter vor sich hin. Vielleicht wäre es für manche besser, wenn sie ebenfalls … das Zeitliche segneten. Nein, so durfte er nicht denken. Jedes Leben war lebenswert. Es gab Heilung. Manchmal. Zumindest fehlte es ihnen an nichts … im Gegensatz zu ihm … der alles verloren hatte.
    »Ich weiß, dass Sie sie nicht sehen wollen, aber …«
    Hannes fuhr herum. »Darum geht es nicht. Das wissen Sie genau.«
    Edelgard Stiegel schaute ihm tief in die Augen. »Vielleicht sollten Sie es doch einmal mit einer Therapie versuchen?«
    »Man sieht ja an Erika, was so eine Therapie nützt.«
    Stiegel seufzte und knickte die Ecke der papierenen Schreibunterlage um. Hannes fühlte einen Anflug von schlechtem Gewissen, sie konnte ja wirklich nichts für das ganze Chaos.
    Er setzte sich wieder. »Tut mir leid. Aber Sie wissen doch, dass es sinnlos ist. Sie erkennt mich nicht. Sie wird mich ebenfalls nicht hineinlassen.«
    Die Pflegerin riss jetzt ein Stück Papier ab. »Ich weiß.

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