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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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bringen. Am liebsten hätten sie schon auf dem Wagen gesungen, aber Charlotte hielt sie zurück.
    »Ihr müsst eure Stimmen schonen«, sagte sie ernst. »Schließlich müsst ihr den ganzen Nachmittag im Freien singen.«
    Rosie und Franz saßen neben Charlotte auf dem Wagen und kuschelten sich aufgeregt an ihre Lehrerin. Auch Agnes selbst war dabei. Nach zwei Wochen Fabrikarbeit hockte sie blass und müde ganz hinten auf dem Wagen und sah immer wieder mit glasigen Augen zu Charlotte hin.
    Pünktlich um zwei Uhr hielt der Milchwagen vor der Konditorei. »Ihr seht ja ganz durchgefroren aus«, rief die Zuckerbäckerin entsetzt. Eilig holte die rundliche kleine Frau einen großen Krug heißen Kakao aus der Küche und drückte jedem Kind einen dampfenden Becher voll in die Hand. Dann schickte sie den Lehrling in die Backstube, um Kuchenränder und Keksbruch für die Kinder zu holen. Allein wegen dieser Jause hatte sich der Weg in die Stadt für die Kinder schon gelohnt. Gierig griffen kleine Hände, die zur Feier des Tages gewaschen worden waren, nach den Köstlichkeiten.
    »Hoffentlich erwarten die Kinder sich nicht zu viel«, sagte Richard. Er stand ganz nah neben Charlotte, zu nah eigentlich, doch diese störte sich nicht daran, ganz im Gegenteil.
    »Schauen Sie nur in ihre Gesichter. So aufgeregt und
glücklich habe ich sie noch nie erlebt.« Charlottes Herz fühlte sich an, als müsste es vor Freude platzen.
    Richard deutete mit dem Kopf Richtung Himmelpfortgasse. »Da hinten kommen schon die ersten Kunden.«
    Rasch schluckten die Kinder die letzten Kuchenkrümel hinunter und hasteten auf ihre Plätze. Die Großen standen in der hintersten Reihe, während die Kleineren vorne Aufstellung nahmen. Charlotte warf einen Blick in die Runde und sah jedem einzelnen Kind in die Augen. Sie nickte ihnen voller Zuversicht zu, und auf ihr Zeichen stimmten die Kinder das erste Lied an. Sie sangen mit lauten, kräftigen Stimmen, die in der engen Gasse mit den hohen Häusern doppelt so laut klangen wie sonst. Man konnte die Weihnachtslieder bis in die Wohnungen der obersten Stockwerke hören. Fensterläden wurden geöffnet, und viele Bewohner lehnten sich neugierig hinaus.
    Begeisterte Zuhörer verließen ihre Wohnungen und traten auf die Straße. Bald war die Rauhensteingasse vollgestopft mit Menschen.
    Auf das erste Lied folgte lauter, begeisterter Applaus. Die Kinder konnten es kaum glauben. Ihre Gesichter strahlten, und die Blässe war rosigen Wangen gewichen.
    Die Zuhörer gingen in die Konditorei, kosteten die neueste Kreation des Hauses, die Zuckerkipferl, und kauften reichlich davon ein.
    »Diese Kipferl schmecken einfach köstlich!«, schwärmte eine Kundin und bestellte für die kommende Woche zwei Kilogramm von dem Gebäck.
    »Meister Reindl!«, rief der Lehrling aufgeregt. »Wir haben bald keine Kipferl mehr. Die Kunden reißen sie uns aus den Händen.«

    Richards Vater staunte. Er war skeptisch gewesen, als sein Sohn ihm von dem Kinderchor erzählt hatte. Nie im Leben hätte er mit diesem Erfolg gerechnet. Bis zum frühen Abend kamen immer wieder Kunden. Vertraute Gesichter von Leuten, die seit Jahren regelmäßig einkauften, aber auch neue Kunden, vornehm gekleidete Frauen, die etwas Besonderes für ihren Adventsjausentisch suchten. Als alle Zuckerkipferl weg waren, kauften die Leute Konfekt, Stollen und Rouladen. Die Kinder sangen und sangen. Dazwischen machten sie kurze Pausen, während derer sie von Richards Mutter mit heißen Getränken versorgt wurden.
    Gegen Ende der Veranstaltung kamen auch Tante Emilia und Sophie vorbei. Die Cousine hatte ihre Mutter dazu genötigt, und als Richard den beiden Damen sein hellrosa Konfekt anbot, konnten beide nicht widerstehen. Danach brachte Richards Mutter ihren berühmten Orangenpunsch, und Tante Emilia war vollauf begeistert. Hinterher behauptete sie, noch nie Kinder gehört zu haben, die so rein und wundervoll singen konnten. »Wie ein Engelschor!«, schwärmte sie und vereinbarte mit Richard einen Termin, um das Konfekt und die Torten für die Hochzeit im Frühling zu besprechen.
    Die Kinder sangen, bis die letzten Kunden gegangen waren. Dann kam Richards Mutter und gab jedem ein kleines Säckchen mit Keksen. Die größte Freude aber waren die Gurkengläser, die sich während des Nachmittags mit Münzen gefüllt hatten.
    »So viel Geld«, staunte Rosie.
    »Leider sind es keine wertvollen Münzen. Das Geld wird bald aufgebraucht sein«, sagte Richard. Er hielt die vollen

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