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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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mal, Luisa, diese kleine Kommode, da kannst du die Schubladen öffnen.« Vorsichtig schob Natalie eine Schublade auf. »Und schau mal, was da drinnen liegt: kleine bedruckte Tischdecken. Ist das nicht süß?«
    »Hmmm«, sagte Luisa. Sie wirkte immer noch nicht überzeugt. »Manno, ich wollte so ein Puppenhaus wie Victoria«, maulte sie. Victoria war Luisas beste Freundin im Kindergarten. »Das ist viel toller!«
    Nun war es heraus. All die liebevolle Mühe - umsonst. Ihrer Tochter gefiel es nicht. Jetzt konnte nur noch eine gute Lichtregie die Stimmung retten.
    »Paul, schalt mal das Puppenhaus-Licht an, damit es richtig zur Geltung kommt«, bat Natalie ihren Mann. Paul
betätigte den Generalschalter. Überall im Häuschen gingen jetzt die Lichter an, was im dämmrigen Wohnzimmer ihrer Schwiegermutter besonders hübsch aussah. Ein klitzekleines, hell erleuchtetes Haus behauptete sich sehr effektvoll vor der großen dunklen Tanne mit den flackernden Kerzen.
    »Na, ist das nicht toll, Luisa?«, sagte Natalie und streichelte ihrer Tochter über den hübschen Lockenkopf.
    »Hmmm«, sagte die, nun etwas weniger brummig. Vielleicht war sie auch nur abgelenkt. Denn sie hatte sich schon dem nächsten großen Paket zugewandt - eingepackt in Papier mit Teddybären, die Weihnachtsmützen trugen. Standardpapier, nichts Besonderes. Natalie wusste, ihre Schwiegermutter hielt die Sucherei nach schönem Geschenkpapier für eine der überflüssigsten Sachen der Welt. »Ist doch nur Verpackung, wird eh gleich abgerissen«, pflegte sie zu sagen. O ja, ihre Schwiegermutter war grauenhaft nüchtern. Sie hatte so gar keinen Sinn für Schönheit. Es sei denn, das Schöne lag viele tausend Kilometer und etliche Flugstunden weit entfernt. Dann konnten Renate die schlichtesten Dinge entzücken.
    Die Teddybären lagen nun zerrupft auf dem Teppichboden. Was in aller Welt war da drin? Natalie konnte nur Rosa erkennen, einen großen rosafarbenen Karton. Dieses schreckliche Rosa, kleine Mädchen wurden ständig damit gelockt - rosa Hemdchen, rosa Haarspangen, rosa Schuhe, Möbel, Bücher, rosa Trinkflaschen im rosa Rucksack. Luisa, klar, liebte Rosa. Plötzlich ein Aufschrei, ein glücklicher Aufschrei von Luisa. Einer, wie ihn Natalie sich von ihrer Tochter beim ersten Anblick des Puppenhauses erhofft hatte.
    »Mama, Papa, das Playmobil-Puppenhaus! Genau das hat
Victoria. Genau das habe ich mir gewünscht«, rief sie glücklich und umarmte den großen Pappkarton regelrecht, drückte ihre kleine, vor Freude und Aufregung rot glühende Wange daran.
    »Oh«, sagte Paul überrascht. Er hatte offensichtlich auch nichts davon gewusst.
    Ungläubig starrte Natalie ihre überglückliche Tochter und dann ihre Schwiegermutter an.
    »Ein Puppenhaus«, sagte sie tonlos.
    »Ich war auf dem Frankfurter Flughafen. Es gab nicht viel Auswahl«, beeilte sich ihre Schwiegermutter zu sagen. Sie merkte wohl, dass sie zu weit gegangen war.
    »Ein Puppenhaus aus Plastik«, sagte Natalie. Nun hörte man den Zorn in ihrer Stimme.
    »Mama, schau mal!« Mit ihren kleinen Fingern zeigte Luisa aufgeregt auf den Pappkarton. »Richtige Türen und Fenster, die kann man auf- und zumachen. Und Victorias Puppenhaus hat auch eine echte Türklingel. Papa, habe ich auch eine Türklingel?«
    Paul, froh, etwas zu tun zu haben, damit er seiner Frau nicht in die Augen sehen musste, untersuchte akribisch den Pappkarton. »Ja, Schätzchen, hier steht: Mit Türklingel.« Er versuchte, die Stimmung irgendwie zu retten: »Na, mit diesem Puppenhaus hat die Oma uns aber alle überrascht. Das ist ja vielleicht ein Geschenk.« Sein Tonfall sollte amüsiert klingen, wirkte aber eher gequält.
    Luisa merkte von alldem nichts. Im Gegenteil. Sie sprang auf und umarmte stürmisch ihre Großmutter. »Du bist die liebste Oma auf der ganzen, ganzen Welt!« Das Bild war idyllisch - ein lachendes, glückliches kleines Mädchen umarmt eine individuell gekleidete ältere Dame, dahinter der
von Kerzen erleuchtete Tannenbaum, die Flammen spiegelten sich in den Kugeln.
    »Können wir das Puppenhaus aufbauen, jetzt gleich? Bitte, bitte, bitte«, bettelte Luisa.
    Natalie knetete ihre Finger, wie sie es immer tat, wenn sie sich überfordert fühlte. Sie konnte es nicht fassen. Ihre Schwiegermutter hatte Luisa ein Plastikpuppenhaus zu Weihnachten gekauft. Obwohl sie genau wusste, dass auch Natalie und Paul ihrer Tochter eines schenken würden, und zwar nicht irgendein lieblos am Flughafen gekauftes - ein ganz

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